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Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Titel: Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)
Autoren: Garry Disher
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Plastikschmuck.
    Und so überraschte es Wyatt, dass der Hafenmeister vom Nepean Highway in die Einkaufsmeile abbog. Vielleicht wollte er zum Friseur, vielleicht waren ihm zu Hause Brot und Milch ausgegangen und er war gar nicht hier, um einen Umschlag mit fünfundsiebzigtausend Dollar einzusacken.
    Der Lexus bog um die Ecke, dann um die nächste und fuhr schließlich in die Tiefgarage eines Kinokomplexes. Wyatt dachte an eine eherne Regel: Halte dir stets einen Fluchtweg offen. Er wollte nicht in die Tiefgarage fahren. Er wollte nicht von Betonpfeilern behindert werden, von Leuten, die Einkaufswagen vor sich her schoben, von Schranken, die Verzögerung bedeuteten. Er stellte Petes Transporter in einer Parkzone ab, wischte seine Fingerabdrücke vom Lenkrad, vom Schaltknüppel und von den Türgriffen und ging zu Fuß ins Parkhaus.
    Der Lexus stand in einer hinteren Ecke. Der Hafenmeister verschloss gerade die Türen mit der Fernbedienung, hielt inne, sah sich unsicher um. Er hatte einen billigen Aktenkoffer dabei. Sollte hier der Ort der Übergabe sein? Wyatt blieb neben einem Pfeiler stehen, wohin sich nur wenig von dem ohnehin schwachen Lichteinfall von außen und dem Licht einer Handvoll Neonröhren an der Decke verirrte. Der Geruch nach Urin und Abgasen hing in der Luft. Irgendetwas klebte unter Wyatts Schuhsohle. Und auch seine Hände fühlten sich klebrig an.
    Er wartete. Warten war ein Zustand in seinem Leben. Wyatt wurde nicht unruhig oder verlor die Geduld, er blieb gelassen, aber auf der Hut. Ihm war klar, dass Warten womöglich nichts einbrachte. Er behielt den Hafenmeister im Auge, auf ein Geräusch eingestellt oder einen Geruch oder auf eine Veränderung der Luftbeschaffenheit, die ihm signalisierte, wegzulaufen oder in die Verteidigung zu gehen. Vor allem suchte er nach bestimmten Anzeichen bei Leuten in der Nähe: die Haltung, die ein Mann einnahm, wenn er bewaffnet war, einen Ohrhörer trug oder die Tiefgarage überwachte; Kleidung, die nicht zu den Umständen oder zur Jahreszeit passte, sondern nur etwas kaschieren sollte.
    Urplötzlich setzte sich der Hafenmeister in Bewegung. In einigem Abstand folgte Wyatt dem Mann hinaus aus dem Parkhaus und durch die schweren Glastüren, die ins Foyer des Kinos führten. Der Hafenmeister lotste ihn durch den unübersichtlichen Raum und hinaus auf den Bürgersteig. Hier waren Frankstons Extreme am offenkundigsten: das glitzernde neue Multiplex auf der einen Seite, eine Reihe von Billigläden, eine Fleischerei, ein Fotogeschäft und eine Apotheke auf der anderen. Der Mann überquerte die Straße und ging eine kleine Ladenpassage entlang, wo ein Straßenmusikant seine Gitarre stimmte, Ständer mit billiger Kleidung dicht an dicht auf dem Gehweg standen und erschöpfte Kunden an einigen wenigen Tischen über ihren Kaffee gebeugt dasaßen.
    Schnell war Wyatt klar, wie die Übergabe ablaufen würde. An einem Tisch saß ein einzelner Mann, einen identischen Aktenkoffer zu seinen Füßen. Der Typ trug einen Anzug und reichlich Widerwillen im Gesicht, also vermutete Wyatt, dass er für die Reederei arbeitete. Der Anzugträger wusste genau, weshalb er hier war. Mit säuerlichem Gesichtsausdruck verfolgte er, wie der Hafenmeister zur Begrüßung mit dem Kopf nickte, seinen Aktenkoffer abstellte und sich einen Stuhl heranzog. Kein Wort wurde gewechselt: Der junge Mann trank seinen Kaffee aus, griff sich den Aktenkoffer des Hafenmeisters und ging.
    Das war der Moment, als Wyatt sich einschaltete. Er setzte auf Schnelligkeit und Überrumpelung. Er trug einen weichen Hut aus ausgeblichenem blauem Stoff, eine Sonnenbrille, Jeans, ein mehr als legeres Hawaiihemd und darunter ein weißes T-Shirt. Kleidung, die von seinem Gesicht ablenkte. Während der wenigen Momente, in denen Wyatt lächelte oder wenn Gefühle ihn bewegten, wirkte sein Gesicht anziehend. Sonst aber war seine Miene beherrscht, unbeeindruckt, als durchblicke er alles. Weil er darum wusste, lenkte er stets von seinem Gesicht ab.
    Er glitt auf den freien Stuhl und umschloss das Handgelenk des Hafenmeisters mit seinen schlanken Fingern.
    Der Hafenmeister fuhr zusammen. »Verdammt, wer sind Sie?«
    »Schau’n Sie auf meinen Gürtel«, raunte Wyatt.
    Der Mann tat es und wurde noch blasser.
    »Die ist echt«, sagte Wyatt, und so war es auch. Eine kleine .32er Automatik.
    »Was wollen Sie?«
    »Sie wissen genau, was ich will«, erwiderte Wyatt, verstärkte den Druck seiner Finger und beugte sich hinunter zu dem
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