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Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Titel: Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)
Autoren: Garry Disher
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Aktenkoffer. »Ich will, dass Sie fünf Minuten ruhig sitzen bleiben und dann nach Hause gehen.«
    Er sprach mit gedämpfter, unaufgeregter, mit beruhigender Stimme. So war seine Vorgehensweise. Die meisten Situationen erforderten das. In den meisten Situationen verhinderte das einen Misserfolg. Er wollte keine Panik, wollte keine Handgreiflichkeiten.
    Der Hafenmeister nahm die kräftige Muskulatur von Wyatts Schulterpartie in Augenschein, seine langen Arme und Beine. »Kommen Sie von der Reederei? Ich werde Ihr nächstes Schiff an die Kette legen, Sie dummes Arschloch.«
    »Ich werde da sein und auch dieses Bestechungsgeld abfangen«, sagte Wyatt tonlos.
    Der Hafenmeister korrigierte sein Urteil über den Mann, der im Begriff war, ihn zu berauben, denn er sah ein entspanntes, unbewegliches Gesicht hinter den dunklen Gläsern, das Gesicht eines Mannes, der ebenso gut allein in einem Raum hätte sitzen können. Er schluckte und sagte: »Dann lass dich nicht aufhalten, Kumpel.«
    »Eine kluge Entscheidung«, sagte Wyatt.
    Er stand auf, leicht irritiert, weil er zu viel gesagt, weil er das Ganze hinausgezögert hatte. Die kleine Einkaufspassage füllte sich mit Leuten, die ihre Mittagspause machten, und Wyatt war dabei, in der Menge unterzutauchen, als eine Stimme schrie: »Polizei! Auf den Boden! Alle beide! Sofort!«
    Sie waren zu dritt — zwei überdrehte junge Kerle in Anzügen und der Straßenmusiker. Vermutlich wurden beide Enden der Einkaufspassage von uniformierter Polizei überwacht. Wyatt rannte auf die beiden Detectives zu, bewegte dabei windmühlenartig seinen Arm samt Aktenkoffer, stieß an die Strebe eines Sonnenschirms, der Aktenkoffer sprang auf und herausflog ein großer, prall gefüllter Umschlag. Wyatt fing ihn geschickt auf, wobei eine recht leise innere Stimme fragte, ob der Umschlag nur Papierschnipsel enthalte, während eine wesentlich lautere ihn vor die Alternative stellte, zu fliehen oder zu sterben.
    Leute schrien oder verharrten in Schockstarre, als sie die Detectives mit ihren .38ern im Anschlag sahen, das zerbrochene Geschirr, die Ständer mit billiger Kleidung, die jetzt den Fußweg entlang auf die Straße rollten. Ein augenscheinlich bekiffter Biker feuerte Wyatt an, der Tische und Stühle umstieß und sich in eine Lücke zwischen den Ständern voller Kleider und T-Shirts schob und im Laden daneben verschwand.
    Drinnen war es schummrig, beengt und die Luft vibrierte. Wyatt sagte die Musik nichts. Es war keine Musik. Es war Lärm, mehr nicht, Lärm, der Kunden anlocken sollte. Doch kein Kunde weit und breit, nur eine Verkäuferin, die voller Neugier aus dem Schaufenster sah, und eine zweite, die weiter hinten an der Kasse saß und Kaugummiblasen zerplatzen ließ.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie. Sie glaubte nicht wirklich, diesem Mann helfen zu können, der groß war und verschlossen und Wellen geballter Energie aussandte, aber zu fragen war nun mal ihr Job. Er ging ohne Eile an ihr vorbei und ihre Kiefer nahmen das Kauen wieder auf.
    Wyatt fand sich in einem schmalen Flur wieder, mit einer Toilette für Angestellte auf der einen und einem Lagerraum auf der anderen Seite. Gelockerte Bodenfliesen, ein Kleiderständer mit abgebrochenen Rädern, ein Behälter voller Kleiderbügel und ein Packen lilafarbener Tüten aus stabilem Plastik mit dem Logo des Ladens. Er stopfte das Bestechungsgeld des Hafenmeisters in eine dieser Plastiktüten und ging durch den Hinterausgang hinaus in eine Gasse.

    2

    Die Gasse war leer, doch für Wyatt stellte das nur einen schwachen Trost dar. Ihm stand weder der Sinn nach einer Schießerei mit den Frankston-Cops, noch wollte er festgenommen werden, nicht mit der .32er. Also wischte er sie ab und warf sie auf das Dach des Klamottenladens. Er hörte ihr Klappern auf dem verzinkten Eisenblech, dann war Ruhe. Anschließend riss er sich das grellbunte Hemd und den Stoffhut herunter und stopfte beides weiter unten an der Gasse in ein rostiges Abflussrohr. Blieb noch die Sonnenbrille. Auch die wischte er ab, zertrat die Gläser unter seinem Absatz und warf das Teil in eine Abfalltonne. Jetzt erinnerte nichts mehr an den Mann, der das Geld des Hafenmeisters abgegriffen hatte.
    Aber er musste weg aus Frankston. Zug, Bus oder Taxi konnte er vergessen. Genau wie das Warten darauf, dass der Sturm sich legte. Die Polizei würde bald flächendeckend im Einsatz sein, in den Straßen, innerhalb und außerhalb des Bahnhofes und an den Busstationen.
    Das Geld noch immer
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