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Das Weihnachtsversprechen

Das Weihnachtsversprechen

Titel: Das Weihnachtsversprechen
Autoren: Donna Vanliere
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PROLOG
    I
n der vergangenen Nacht hat sich eine frische Schneedecke gebildet. Auf den Sträuchern vor meinem Küchenfenster hocken funkelnde weiße Kappen. Ich lasse mich auf den Stuhl am Tisch sinken und gieße Sahne in meinen Kaffee.
    Mein Freund Jack arbeitet an einem Auto in der Auffahrt; ich kann seinen Atem in der Luft sehen. Ich kenne Jack noch nicht lange, erst seit einem Jahr. »Das Jahr der Wunder« nenne ich es. Ich versuche noch immer, mir einen Reim aus dem zu machen, was passiert ist, aber ich glaube nicht, dass mir das je gelingen wird. Vielleicht soll ich das auch nicht; das ist das Schöne am Unerklärlichen.
    Als junge Mutter freute ich mich immer auf den Beginn der Weihnachtszeit. Am Tag nach Thanksgiving schob ich meine Lieblingsliederkassette mit Bing Crosby, Rosemary Clooney und Burl Ives in den Recorder, und die Weihnachtsklänge erfüllten unser Heim, während ich die hölzerne Krippe und unseren lädierten künstlichen Baum vom Dachboden herunterschleppte. Meine Kinder, mein Mann und ich schmückten ihn. Wenn wir fertig waren, war er stets mit zu vielen Eiszapfen beladen und hatte zu wenige Lichter. Aber wirmachten Fotos von ihm, als würde er auf dem Rasen des Weißen Hauses stehen.
    In einem Winter presste Matthew, mein jüngster Sohn, seine Nase an das Wohnzimmerfenster und beobachtete, wie der herabfallende Schnee unseren Rasen bedeckte.
    »Jetzt ist Weihnachten«, sagte er.
    »Schnee bedeutet nicht Weihnachten«, antwortete ich. »Es gibt zahlreiche Länder, in denen nie eine Schneeflocke fällt. Es ist das Weihnachtsversprechen, das Weihnachten zu dem macht, was es ist.«
    Matthew sah zu, wie der Schnee den Rasen bedeckte. »Was für ein Versprechen ist das?«
    Ich setzte mich neben ihn auf den Boden. »Nun, es ist das Versprechen der Liebe und der Gnade. Weihnachten wurde uns die Gnade gegeben. Das ist das größte Versprechen von allen.«
    Mein Mann Walt war in jenem Jahr der Meinung, dass es ein Abenteuer sein würde, wenn sich unsere Familie aufmachte, einen eigenen Baum zu fällen. Wir packten die Kinder ins Auto und fuhren zur Farm eines Freundes. Dort führte uns Walt über scheinbar kilometerweites Weideland, bevor wir an ein kleines Walddickicht kamen.
    Unser Sohn Daniel entdeckte den perfekten Baum, und Walt entfernte die unteren Äste, damit er zum Fällen gut an den Stamm kam. Aber er hatte nicht daran gedacht, die Axt vor unserem Aufbruch an jenem Morgen zu schärfen, und nach ein paar Hieben war Walterschöpft. Nach Atem ringend lehnte er sich gegen einen Baum. Jedes unserer Kinder versuchte, auf den Baum einzuschlagen, aber natürlich waren sie alle zu klein, um viel auszurichten. Walt ärgerte sich über sich selbst, weil die Axt unbrauchbar war.
    Ich bemühte mich zwar, mein Lachen zu unterdrücken, aber es gelang mir nicht. Walt legte sich auf den Bauch und schnitzte wie mit einem Taschenmesser am Stamm herum, und ich lachte noch heftiger, weil ihn die Nadeln der Tanne pieksten. Er stand wieder auf, trat mehrere Male gegen den Stamm, stolperte und landete auf dem Boden.
    Die Kinder begannen zu kreischen, rannten ausgelassen um den Baum herum und ahmten ihren Vater nach, indem sie kichernd gegen den Stamm traten. Walt hackte, schnitt und schlug auf den Baum ein, bis er endlich nachgab und fiel.
    Wir lachten die ganze Zeit, während wir über die Weiden zurück zum Auto gingen.
    Sieben Jahre meines Lebens graute mir vor dem Nahen des Weihnachtsfestes. Ich hatte meinen Mann und meinen jüngsten Sohn im Abstand von zwei Wochen verloren, und jene süßen Erinnerungen an meine Familie erwiesen sich als zu schmerzlich, um sie in mir aufsteigen zu lassen, aber auch als zu machtvoll, um sie zu vergessen.
    Es ist beängstigend, wenn man sein Herz an die Menschen um sich herum in dem Wissen verschenkt, dass sich die Beziehung zu ihnen verändern kann – dasseinem eines Tages das Herz gebrochen werden und man zerstört werden kann. Das ist der risikoreichste Teil dieser menschlichen Reise.
    Ich glaube, im vergangenen Jahr habe ich schließlich gelernt, dass es einige Dinge gibt, die uns Gott nicht vergessen lassen will. Er macht es uns möglich, zu jenen Erinnerungen zurückzukehren und sie uns ins Gedächtnis zurückzurufen – nicht jeden Tag, aber gelegentlich. In jenen Augenblicken entdecken wir, dass Gott das Erinnern und das Vergessen auf irgendeine Art miteinander verbindet und zu etwas Schönem gestaltet; zu etwas, das dem Durcheinander in unserem Leben einen wirklichen
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