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Dem Pharao versprochen

Dem Pharao versprochen

Titel: Dem Pharao versprochen
Autoren: Marliese Arold
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 Papyrus 1 
    Ich weiß, Papyrus ist zu kostbar, um verschwendet zu werden. Trotzdem muss ich mir von der Seele schreiben, was mich beschäftigt. Vielleicht kommt dann endlich wieder Klarheit in meinen Kopf. Ich bin so durcheinander!
    Seit heute Morgen reden alle nur davon, dass der König zurückkehrt. In ein paar Tagen wird Tutanchamun ankommen.
    Mir ist klar, dass sich jetzt alles ändern wird. Nichts wird mehr so sein wie vorher.
    In der letzten Zeit ist mein Leben dahingeflossen wie der Nil in den Sommermonaten: ruhig und gemächlich. Von mir aus könnte es so weitergehen.
    Doch nun werde ich von meinen liebgewonnenen Alltagsbeschäftigungen Abstand nehmen müssen, um die Aufgabe zu erfüllen, für die ich bestimmt bin: als Große Königliche Gemahlin an Tutanchamuns Seite zu leben, zu repräsentieren und ihm eine aufmerksame Gattin zu sein.
    Tut und ich sind schon als Kinder verheiratet worden. Es ist so lange her, dass ich mich kaum noch daran erinnern kann. Manchmal kommt es mir so vor, als sei alles nur ein Traum gewesen. Ich trug ein schönes Kleid, makellos weiß und hauchdünn. Der Stoff fühlte sich an, als käme er geradewegs aus der Götterwelt. Er war aufwendig bestickt, und ich trug wunderbare Ketten aus Gold und Edelsteinen. Ich durfte eine Perücke aufhaben, meine Augen waren mit schwarzem Kajal geschminkt, auf meinem Haupt saß ein Parfümkegel, der langsam schmolz und mich mit einem Duft nach Lilien umgab.
    Tutanchamun saß neben mir, ebenfalls in einem Festgewand, er trug die Sechemtj, die Doppelkrone, die die weiße Krone Unterägyptens und die rote Krone Oberägyptens in sich vereinigte.
    An jenem Tag war es unglaublich heiß. Wir hielten uns während der Trauungszeremonie an den Händen. Ich erinnere mich noch genau, wie verschwitzt sich seine Hand anfühlte, ich hätte sie am liebsten losgelassen. Ich hatte vor der Zeremonie viel getrunken und wünschte mir nichts sehnlicher, als dass die Feierlichkeit schnell vorüberginge, damit ich mich auf der Toilette erleichtern könnte. Doch es dauerte ewig. Zuerst segnete uns der Amun-Priester, ein glatzköpfiger Riese, von dem ich noch nächtelang Albträume hatte. Dann hielt Eje, Tuts Ziehvater, eine lange Rede, von der kein Wort in meinem Kopf hängenblieb, weil ich immer unruhiger wurde. Danach sprach Teje, meine Großmutter, von der Bedeutung der Ehe und von den Pflichten, die auf uns zukommen würden. Doch sie musste die Qualen auf meinem Gesicht erkannt haben, denn sie fasste sich kurz und verschaffte mir, noch während der Beifall toste, die Gelegenheit zu verschwinden.
    »Schnell, lauf und erledige, was du zu erledigen hast, aber halte dich nicht auf und komm rasch wieder«, raunte sie mir zu, während ich zwischen den Männern, die uns mit Pfauenfedern Luft zugefächelt hatten, hindurchschlüpfte.
    Ich rannte durch die kühlen Palastgänge und spürte, wie meine Perücke verrutschte und mir das Parfüm an den Schläfen herabrann. Dann erreichte ich das geheime Gemach, schob den Riegel vor und ließ mich auf den Sitz sinken.
    Jetzt endlich hatte ich Gelegenheit, darüber nachzudenken, was mit mir und Tut soeben passiert war: Wir waren verheiratet, richtig verheiratet! Er würde für immer mein Mann sein und ich seine Frau.
    Der Gedanke war noch so neu und ungewohnt, dass ich vor mich hinkicherte. Mir kam es vor, als würden wir König und Königin spielen – wie wir das in den vergangenen Jahren so oft gespielt hatten.
    Tut hatte häufig mit uns Mädchen gespielt – mit meinen Schwestern und mir. Er ist unser Halbbruder. Es war klar, dass er eines Tages die Pharaonenkrone tragen und eine von uns heiraten würde. Wir sind von königlichem Blut, unsere Mutter war keine andere als Nofretete, von deren Schönheit man noch immer spricht, obwohl sie schon lange tot ist.
    Vermutlich hätte Tut meine Schwester Maketaton gewählt, die Zweitälteste. Sie war die Schönste von uns und glich unserer Mutter Nofretete fast aufs Haar. Aber leider fiel Maketaton in einem sehr heißen Sommer dem Fieber zum Opfer; kein Arzt vermochte ihr zu helfen.
    Ich weinte sehr um sie. Maketaton war meine Lieblingsschwester gewesen, wir hatten uns sehr gut verstanden. In der ersten Zeit nach ihrem Tod wünschte ich mir sogar, das Fieber möge mich treffen und ebenfalls dahinraffen, damit ich Maketaton im Jenseits wiedertreffen konnte.
    Doch mein Wunsch ging nicht in Erfüllung, das Fieber verschonte mich. Und im Sommer nach Maketatons Tod wählte Tutanchamun mich als
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