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Der Raben Speise

Der Raben Speise

Titel: Der Raben Speise
Autoren: F.G. Klimmek
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wie unsere Ausflüge zu Pferde, wenn Berthold mich in der Reitkunst unterwies. Ich weiß nicht, welche Anlagen in mir steckten, aber nach seinem Lob und ehrlichem Staunen über meine Fortschritte musste ich ein äußerst talentierter Schüler gewesen sein. Natürlich hatte ich keine Vergleichsmöglichkeiten und musste mich insoweit auf sein Wort verlassen. Aber ich glaubte ihm, wenn er mir mit ernster Miene und ohne einen Anflug von Spott versicherte, dass ich im Kriegswesen durchaus mit erprobten Männern mithalten könnte, mit denen er es auf dem Schlachtfeld zu tun gehabt hatte. Damals war ich kaum vierzehn.
    Als ich sechzehn war, starb mein Lehrmeister am Englischen Schweiß. Mit seinen letzten Worten teilte er mir mit, dass er dem Prior einen Brief an einen alten Freund übergeben hätte, der in den Diensten des Bischofs von Münster stünde. Ich solle mir keine Sorgen machen. Es vergingen keine zwei Wochen, als mich ein Reiter aus dem Kloster holte, das ich ohne einen Gedanken des Bedauerns verließ und auch bis heute nicht wieder betreten habe.
    Im Nachhinein betrachtet glaube ich, dass der Prior bereits von Anfang an seine Hand im Spiel hatte. Mönche mögen gelegentlich zum Wahnsinn neigen, dumm sind sie in den meisten Fällen nicht. Deshalb wird er viel eher als ich selbst erkannt, auf welchem Gebiet meine wahren Talente lagen, und die Verbindung mit Berthold eingefädelt haben. Anders lässt sich nicht erklären, was er mir in all der Zeit an unklösterlichem Verhalten hat durchgehen lassen.
    In den folgenden Jahren versuchte man erst gar nicht, irgendeine Frömmigkeit in mich hineinzuzwingen, sondern beschritt den Weg weiter, den Berthold bei mir eingeschlagen hatte. Außerdem unterwies man mich im Taktieren, Deduzieren, Examinieren und vielen Dingen mehr, die dem gemeinen Mann besser auf immer verborgen blieben. So wurde ich endlich das, was ich bin und was mich mit Stolz erfüllt, weil ich es kann und gerne tue: der beste Spion des Fürstbischofs von Münster.
    Und glaubt mir, meine Freunde, damit übertreibe ich nicht, habe ich doch in all der Zeit zu Nutz und Frommen meiner wechselnden bischöflichen Herrn mehr Leute umgebracht als der gepanschte Branntwein geldgieriger Schankwirte. Unter dem fetten Franz, der sich vor drei Jahren die Mitra hat aufs Haupt drücken lassen, würde das nicht anders werden. Dabei war meine kirchenfeindliche Einstellung meiner Profession eher förderlich als nachteilig. Als Sonderbeauftragter seiner fürstbischöflichen Eminenz im christlichen Glauben verhaftet zu sein, war in der Tat unvereinbar. Denn jemandem die linke Halsschlagader hinzuhalten, während er einem gerade die rechte durchschnitt, würde meinem Dienstherren keinen Vorteil bringen – und mir selbst erst recht keinen.
    Dabei war gerade ich der Mann, der meinem Herrn schon so manchen Bonus gesichert hatte. Erst gestern war ich aus der Gegend von Maastricht zurückgekehrt, wo ich in seinem Auftrag mit den Stadträten eine Übereinkunft zur Bekämpfung des Wiedertäuferunwesens getroffen hatte. Es war nämlich ruchbar geworden, dass von Münster aus Sendboten mit neuen Goldgulden in die südlichen Niederlande geschickt worden waren, um dort Landsknechte für ein Entsatzheer anzuwerben. Ich war ihnen zuvorgekommen und konnte die Repräsentanten der Stadt für unsere Seite gewinnen. Ob sie es für den katholischen Glauben oder für ihr eigenes Säckel taten, war mir egal, lief es doch auf dasselbe hinaus: Sie schlugen den Boten die Köpfe ab und behielten das Gold.
    Nach diesem Erfolg hatte ich den gestrigen Abend so ausgiebig gefeiert, dass ich den Mann, den mein Strahl so knapp verfehlt hatte, erst jetzt erkannte. Es war Klaas Hilling, ein Friese, der zusammen mit seinem Bruder Dirk ebenfalls in den Diensten des Bischofs stand. Im Gegensatz zu mir, der ich mir schmeicheln darf, immer mit Aufgaben betraut worden zu sein, deren Erfüllung neben einer gehörigen Portion an Rücksichtslosigkeit auch Geschick, Verstand und Umsicht erforderten, waren diese beiden Burschen eher die Männer fürs Grobe, wenn es darum ging, Kraft, Gewalt und Unnachgiebigkeit zu demonstrieren. Klaas, der etwas ältere und einige Zentimeter größere der beiden, war auf den ersten Blick von seinem Bruder durch eine breite Narbe zu unterscheiden, die sich quer über seine Stirn zog und in Augenblicken höchster Wut flammendrot anschwoll. Dass sie in diesem Moment blass blieb, verriet mir, dass er mir meinen unfreiwilligen Anschlag auf
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