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Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht

Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht

Titel: Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht
Autoren: Asa Larsson
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Freitag, 21. Juni
    ICH LIEGE SEITLICH auf dem Küchensofa. Kann einfach nicht schlafen. Jetzt, mitten im Sommer, sind die Nächte blassblau und lassen mir keine Ruhe. Bald wird die Wanduhr über mir einmal schlagen. In der Stille wird das Ticken des Pendels immer lauter. Zerhackt jeglichen Sinn. Jeglichen Versuch, vernünftig zu denken. Auf dem Tisch liegt der Brief dieser Frau.
    Ganz stillliegen, sage ich mir. Jetzt liegst du still und schläfst.
    Ich muss an Traja denken, eine Pointerhündin, die ich als Kind hatte. Traja fand niemals Ruhe, sie wanderte durch die Küche wie ein unseliger Geist, und ihre Krallen scharrten über den lackierten Holzboden. In den ersten Monaten musste sie im Haus in einem Käfig schlafen, damit sie nicht immer herumlief. Die Befehle »sitz«, »Platz«, »bleib« füllten die ganze Zeit das Haus.
    Jetzt ist es genauso. In meiner Brust liegt ein Hund auf der Lauer, der bei jedem Ticken der Uhr aufspringen will. Es ist aber nicht Traja, die da in meiner Brust auf dem Sprung liegt. Traja wollte nur herumwandern. Diese Hündin hier wendet den Kopf von mir ab, wenn ich versuche, sie anzusehen. Und sie hegt lauter böse Absichten.
    Ich will versuchen zu schlafen. Irgendwer müsste mich einschließen. Ich müsste einen Käfig in der Küche aufstellen.
    Ich stehe auf und schaue aus dem Fenster. Es ist Viertel nach eins und hell wie bei Tag. Die Schatten der alten Kiefer an der Grundstücksgrenze ziehen sich zum Haus hin. Ich finde, sie sehen aus wie Arme. Wie Hände, die sich aus ihren unruhigen Gräbern strecken und nach mir greifen. Der Brief liegt auf dem Küchentisch.
    Ich bin im Keller. Es ist fünf nach halb zwei. Die Hündin, die nicht Traja ist, ist auf den Beinen. Sie springt in den Außenbezirken meines Verstandes hin und her. Ich versuche, sie zu rufen. Will ihr nicht in ihre zertrampelten Spuren folgen. Mein Kopf ist von innen blank. Die Hand macht sich an der Wand zu schaffen. An allerlei Gegenständen. Was soll ich damit? Hammer. Brecheisen. Kette. Noch ein Hammer.
    Meine Hände legen alles in den Kofferraum. Es ist wie ein Puzzlespiel. Ich kann nicht erkennen, was es darstellt. Ich setze mich ins Auto und warte. Ich denke an die Frau und den Brief. Sie ist schuld. Sie hat mich aus meinem Verstand verjagt.
    Ich fahre los. Im Armaturenbrett gibt es eine Uhr. Eckige Striche ohne Sinn. Die Straße führt in die Zeit hinaus. Die Hände halten das Lenkrad so fest, dass die Finger schmerzen. Wenn ich mich jetzt totfahre, müssen sie das Lenkrad absägen und mich damit begraben. Aber ich werde mich nicht totfahren.
    Ich halte hundert Meter vom Ufer entfernt, wo ihr Boot liegt. Ich gehe zum Fluss hinunter. Er liegt blank und still da und wartet. Die Sonne tanzt auf den Kräuseln, die eine Bachforelle beim Larvenfressen hinterlassen hat. Die Mücken sammeln sich um mich. Landen neben meinen Augen und in meinem Nacken und saugen mein Blut. Mir ist das egal. Ein Geräusch lässt mich herumfahren. Da ist sie. Sie steht nur zehn Meter von mir entfernt.
    Ihr Mund öffnet sich und formt Wörter. Aber ich höre nichts. Meine Ohren sind verriegelt. Sie kneift die Augen zusammen. Verärgerung flammt darin auf. Ich mache zwei unschlüssige Schritte vorwärts. Ich weiß noch nicht, was ich will. Ich halte mich außerhalb von Sinn und Verstand auf.
    Jetzt entdeckt sie das Brecheisen in meiner Hand. Meine Hand, die den Stahl umklammert, wird weiß. Und plötzlich ist die Hündin wieder da. Riesengroß. Die Pfoten sehen aus wie Hufe. Das Fell sträubt sich vom Nacken bis zum Schwanz. Sie entblößt ihre Eckzähne. Sie wird zuerst mich mit Haut und Haaren verschlingen. Und dann die Frau.
    Ich habe sie erreicht. Wie verhext starrt sie das Brecheisen in meiner Hand an, und deshalb trifft der erste Schlag sie dicht über der Schläfe. Ich knie neben ihr und schmiege die Wange an ihren Mund. Ein warmer Hauch an der Haut. Ich bin noch nicht fertig mit ihr. Die Hündin springt wie wahnsinnig alles an, was sich ihr in den Weg stellt. Die Krallen reißen tiefe Furchen in den Boden. Ich wüte. Ich tobe in den Randbereichen des Wahnsinns.
    Und jetzt mache ich den letzten Schritt.

DIE KÜSTERIN PIA SVONNI steht im Garten ihres Reihenhauses und raucht. Normalerweise hält sie die Zigarette damenhaft zwischen Zeige- und Mittelfinger. Aber jetzt klemmt die Zigarette zwischen Daumen und Zeige- und Mittelfinger. Das ist ein riesengroßer Unterschied. Es geht auf Mittsommer zu, daran liegt es. Dann gerät man eben
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