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Der Neue im Sportinternat

Der Neue im Sportinternat

Titel: Der Neue im Sportinternat
Autoren: Thomas Mindt
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Julians Eltern anzurufen, und sich unmöglich benommen. Ich durfte mein Zimmer nicht verlassen. Abends hat er mich in sein Arbeitszimmer gerufen. Ich musste vor seinem Schreibtisch stehen bleiben, und er hat mir eine Standpauke gehalten. Ich kam mir vor wie ein Niemand. Die Standpauke endete damit, dass er mir mitteilte, dass ich auf ein Internat komme.«
    »Ich weiß, es ist schwer für dich.« Claude ist sichtlich betreten, sucht nach den richtigen Worten. »Aber ...«
    »Nein, kein Aber!«
    »Du hast ja recht. Sag mal, bist du in Julian verliebt?«
    »Hast du mir nicht zugehört? Wir sind Freunde. Julian is' nicht mal schwul oder bi. Er war neugierig, und außerdem is' er kein elender Spießer! Vielleicht kommt er eines Tages auf den Geschmack, wer weiß das schon!«
    »Und du hast dich definitiv gefunden?«
    »Ja! Ich weiß, was und wer ich bin. Ich bin Leon! Und ich stehe auf Jungs! Das fühlt sich gut an und macht mich glücklich. Ich hab mir nicht ausgesucht, was ich bin. Ich möchte es aber für nichts auf der Welt ändern, weil es genau so richtig is' für mich!«
    »Du bist stark, das weiß ich.«
    »Wieso auch nicht?! Oder meinst du, jemand wie ich ist automatisch 'ne Memme? Ich piss mir nicht ins Hemd, nicht wegen meinem Vater! Der geht mir am Arsch vorbei. Ich scheiß auf ihn und sein Geld!«
    »Familie bedeutet manchmal ziemlich viel Stress. Ich könnte dir Sachen erzählen! Man muss miteinander kommunizieren und verzeihen können.«
    »Ich hab nix gemacht. Mir muss niemand verzeihen. Ich brauch auch keine Absolution!«
    »Du willst das wirklich durchziehen, oder?«
    »Ja!«, bekräftigt Leon und formt eine weitere Blase mit seinem Kaugummi. Er dreht den Kopf zur Seite und schaut durch das Fenster, betrachtet die anderen Menschen in den Autos. Eine Karawane von Wagen sorgt für reges Treiben. Leon fühlt sich in der Blechlawine nicht wirklich wohl. Normalerweise mag er es zu reisen. Diesmal ist alles anders. Allerdings ist die Autofahrt mit Claude ja auch keine Reise.
    Das hätte ein schöner Tag werden können, nicht nur weil heute Leons Geburtstag ist und obendrein noch Sonntag! Außerhalb des Autos sieht die Welt aufregend aus. Der Tag lädt förmlich dazu ein, auf Entdeckungsreise zu gehen und glückliche Stunden zu erleben. So ein schöner Tag, aber nicht für mich!, denkt Leon immer wieder. Die ungewöhnlich warme Aprilsonne macht Lust auf Erdbeereis mit Sahne, das man an einem romantischen Ort mit einem besonderen Mann teilt. Ein sinnlicher Blick verdoppelt den Pulsschlag und lässt erahnen, dass der Moment nicht mehr allzu fern ist, wenn sich die Lippen zum allerersten Mal vorsichtig und zärtlich nähern, um zu einem beseelten Kuss zu verschmelzen. Zwei Gefühle vereinigen sich und eine neue Welt wird geboren, die denen Obdach bietet, die schon so lange ohne Zufluchtsort für ihre großen Emotionen sind. Das ist so ein Tag, an dem Verliebte ein Herz mit ihren Initialen in eine Baumrinde ritzen und an das große Versprechen >für immer< unbeirrbar glauben. Sie meinen, was sie sagen. Jedes Wort ist gestützt von Wahrheit, weil da ein Glaube ist, der vielleicht viel zu schnell verloren geht. Doch im Rhythmus der Herzen ist dieses Versprechen der Fels in der Brandung, der dem sonst so einsamen Ich Hoffnung auf ein Morgen gibt!
    Lautlos perlen Tränen über Leons Gesicht. Für ihn ist das ein Tag, an dem er unglaublich stark sein muss, damit er nicht das Versprechen bricht, das er sich selber gegeben hat. Egal wie schwer es auch sein wird, Leon will sich treu bleiben! Für irgendwas muss das Dilemma doch gut sein! Vielleicht musste alles so kommen, damit Leon früh genug die Notwendigkeit erkennt, zu sich selbst zu stehen. Möglicherweise ist sein 16. Geburtstag gar nicht so schlecht. Noch ist es viel zu früh, um dies zu erkennen. Der Weg, der vor ihm liegt, ist ein Weg im Nebel. Augenblicklich hat er keinen blassen Schimmer, wie der genau aussehen soll. Aber ein Weg ist ein Weg!
    Leon wünscht sich die Freiheit, sich als Mensch und Mann entdecken zu können. Eins ist in den vergangenen drei Tagen hundertprozentig klar geworden: Leon will sich verlieben und zwar so schnell wie möglich!
    Eine sehr wichtige Erkenntnis hat Leon an seinem 16. Geburtstag ebenfalls gewonnen: Freiheit beginnt im eigenen Herzen - genau wie Liebe und Freundschaft!
    Ein idyllisches Panorama bietet sich Leon aus dem Auto heraus. Große Wälder wie aus einem Märchen, hügelige Landschaft und reizvolle Täler so weit das Auge
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