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Der negative Erfolg

Der negative Erfolg

Titel: Der negative Erfolg
Autoren: Gerhard Branstner
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deshalb mit mir vorlieb nehmen soll, weil es Menschen gibt, die während des Essens einfach keinen genießbaren Gedanken von sich geben können, und zu diesen zählt unsere Familie M. Inzwischen hat nun auch der Kellner das Essen aufgetragen, und ich will mit meiner versprochenen Aufklärung nicht länger hinter dem Berge halten.
    Wir sprachen bereits eingangs davon, daß die Erde eines Tages als Museum eingerichtet worden war. Damit hatte man einen Strich unter die bisherige Geschichte gezogen, wodurch zugleich auch ein leidiger Hader unter den Gelehrten beigelegt wurde, denn dieser Strich gab ihnen ein unfehlbares Hilfsmittel für ihre Datierungen an die Hand. Überhaupt begannen die Menschen um diese Zeit, die Wirklichkeit nach den Möglichkeiten ihrer Beschreibung einzurichten, was manche Schwierigkeiten aus der Welt schaffte. Diese zum Museum erklärte Erde wurde nun, wie das in einem Museum natürlich ist, in verschiedene Abteilungen untergliedert, damit sie dem forschenden Auge der Nachgeborenen faßlich entgegentrete. So finden wir neben den Abteilungen für Modekleidung und vorgeschichtliche Verkehrsmittel die Abteilung für vermurkste Städte und überholte Meinungen. Außer diesen gab es noch einige höchst interessante und aufschlußreiche Sammlungen zu besichtigen, so eine von Lebensläufen verkannter Genies, eine andere von verspäteten Ratschlägen und eine dritte von Moralvorschriften aus Plastikmasse und Gesetzen aus natürlichem Gummi. Besonderen Zulauf fand immer wieder die Sammlung verkehrt gesetzter Kommas, mit Anhängern versehen, auf denen die näheren Umstände ihrer verfehlten Laufbahn aufgezeichnet standen.
    Obwohl damit nur der geringste Teil dessen genannt ist, was es auf unserer Erde zu sehen gibt, wird der Leser ohne weiteres begreifen, daß ein solches Museum ohne ernsten Schaden für den Besucher nicht anders als in geringen Dosen genossen werden kann. Deshalb soll für diesmal nur eine Abteilung besichtigt werden, indem wir uns der Familie M. anschließen, die nach Auskunft ihres Oberhauptes derjenigen für abgeschaffte Wörter den Vorzug gibt. Allerdings behalte ich mir vor, bei anderer Gelegenheit auch diese oder jene der übrigen Abteilungen oder Sammlungen zu schildern.
    Falls nun der Leser den Vorwurf zu erheben gedenkt, daß meine Geschichte eine Ausgeburt der Phantasie und mit der Wahrheit unvereinbar sei, so verkennt er die Tatsache, daß die Wahrheit ohne Phantasie nicht erfaßbar ist. Ich lege dafür meinen Kopf in seine Hände, und das nicht, weil ich ihm nicht zutraute, ihn ans Messer zu liefern. Für diesmal muß ich aber den Leser bitten, auf eine weitere Erörterung dieses Gegenstandes zu verzichten, denn es ist höchste Zeit, sich wieder zu Mullerowitschs zu gesellen, wenn wir den Weiterflug nicht versäumen wollen. Diesen Flug des näheren zu schildern, halte ich nicht für ratsam, der Leser bekäme durch die Kürze der Schilderung nur eine falsche Vorstellung von seiner Länge, und gehe vielmehr unmittelbar zur Landung auf der Erde über.



 
     
     
     

Wir kamen bei diesigem Wetter an und begaben uns sofort in das Zentrale Büro für Museumslenkung. Über der Tür hing ein großes Spruchband mit der Aufschrift: »Willkommen in der Vorgeschichte!« Herr M. kam nicht ganz darüber ins reine, ob dieses Spruchband ein Exponat des Museums oder ein gelungener Scherz war. Im Büro erhielt Familie M. nach längerer Debatte über genaue Absicht des Besuches und ähnliche Formalitäten ein kleines Heftchen, in welchem die schnellsten Verkehrsverbindungen zur gewünschten Abteilung sowie einige andere Angaben übersichtlich verzeichnet waren. Die fragliche Abteilung, obwohl einige tausend Kilometer vom Lenkungsbüro entfernt, war in wenigen Minuten erreicht. Diese erstaunliche, für die Erdbesucher jedoch von ihrem neuen Heimatplaneten her gewohnte Personenbeförderung beruhte auf einem wunderbar einfachen System. Die einzelnen Museumsabteilungen waren unter sich und mit dem Lenkungsbüro durch elektromagnetische Ströme verbunden, in deren Sog Fahrgastkabinen mühelos und ohne irgendwelche Hilfsmittel wie Schienen oder Tragflächen hin und her sausten. Mullerowitschs standen also im Handumdrehen vor dem Ziel ihrer Reise.
    Auf frohe Erwartung gestimmt, hakte M. seine Frau unter, die Kinder hatten sich bei der Hand gefaßt, und man trat in das Vestibül, wo man von einem freundlichen Herrn, Museumsführer seines Zeichens, begrüßt wurde.
    Herr M. wird entschuldigen, wenn
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