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Der negative Erfolg

Der negative Erfolg

Titel: Der negative Erfolg
Autoren: Gerhard Branstner
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Sonntag vormittag, und die Mullerowitschs beabsichtigten, eine Wochenendpartie zur Erde No. I zu machen. Die Aufregung war groß und strebte dem kritischen Punkte zu. Herr M. lag auf dem Bauch und angelte unter der Couch nach seinem Glasauge, das ihm beim Putzen aus der Hand geglitten war.
    M. hatte eines seiner natürlichen Augen eingebüßt, als er entgegen aller Vorschrift bei einer Jagdpartie die Schutzbrille abgesetzt hatte. Es ist beruhigend zu wissen, daß der Mensch auch in Zukunft nicht leben kann, ohne Gefahren für Leib und Seele ausgesetzt zu sein. Die Menschheit hatte zwar – um den begierigen Leser genauer zu unterrichten –, eingedenk der Weisheit Vater Noahs (Gott hab’ ihn selig), die wichtigsten Tiere mit zur Erde No. II genommen. Jedoch waren diese kaum zur Jagd geeignet, und überdies wollte man auch die neue Erde nicht dadurch einschränken, daß man das für ein ausführliches Waidwerk notwendige Gelände abgrenzte. Daher wurde dieser Sport in den interstellaren Raum verlegt. Da sich die von der Natur hervorgebrachten Tiere nicht ohne weiteres in diese Umgebung verpflanzen ließen, stellte man künstliche Tiere in verschiedenen Ausführungen und Mengen her, die je nach Geschmack von den Jagdlustigen aufs Korn genommen wurden. Die Bewegungen dieser Tiere beruhten auf kybernetischer Steuerung, deren Logik von psychologisch geschulten Jagdexperten ausgedacht worden war, so daß die Waidmänner einen hohen intellektuellen Genuß im Verfolgen und Erlegen ihrer Objekte fanden. M. hatte sein Interesse auf eine Art Wildente geworfen, die wegen ihrer raffinierten Programmsteuerung sein Jägerherz höher schlagen ließ. Daher hatte er unlängst bei einer Hatz Zeit und Raum vergessen und war einem Prachtexemplar dieser Gattung fast bis in die Unendlichkeit, genauer gesagt, bis in eine Meteoritenwolke gefolgt, und da er im Eifer des Vergnügens die Schutzbrille abgenommen hatte, war ihm ein Splitter ins Auge gefahren. Und da lag er nun auf dem Bauche und fischte nach seinem Glasauge.
    In diesem Augenblick kam Fridholm, der einzige Sohn, ins Zimmer und fiel hin. Er war auf dem Glasauge ausgeglitten, das an der Tür gelegen und ungerührt vor sich hin geblickt hatte. M. stürzte sich auf sein Auge und hielt es gegen das Licht. Dabei stellte er fest, daß sich unter der Couch kein Staub mehr befand, denn mehr, als an den Ärmeln seines weißen Hemdes hing, konnte unmöglich darunter gewesen sein. Wehen Herzens schob er sein Glasauge in die Hosentasche und ging schweigend aus dem Zimmer. Ich könnte dir, lieber Leser, in dieser Art noch manches erzählen, wenn mir nur noch etwas einfallen würde. Aber schließlich standen die Mullerowitschs doch noch geschniegelt und gebügelt zum Abflug bereit, und sie traten auf die Straße, um sich vom Rollsteig zum Flughafen tragen zu lassen. Auf Vorschlag von Frau Antoinette wollten sie nicht die übliche Route benutzen, die im Nonstopflug zur Erde No. I führt, sondern einen Abstecher zu einem Speiserestaurant machen, das man genau an der Schwelle zum Sonnensystem eingerichtet hatte und das wegen seiner schönen Aussicht allgemein beliebt war.
    An dem Restaurant zur »Fröhlichen Rundschau« angelangt, verließ Familie M. das Raumfahrzeug und suchte sich ein gemütliches Plätzchen aus, um zu Mittag zu speisen und dabei den herrlichen Ausblick zu genießen. An jedem Tisch war ein Fernrohr zur gefälligen Bedienung angebracht. Herr M. schaute hindurch, um den Kellner ausfindig zu machen. Man gab die Bestellung auf und wartete. Rosina, das kleine Töchterchen, zappelte ungeduldig auf ihrem Stuhl, während Fridholm über den Daumen peilte, um Abstand und Entfernung der verschiedenen Himmelskörper abzuschätzen.
    »Fredy«, erkundigte sich Frau M. bei ihrem Mann, »welche Abteilung wollen wir denn heute besichtigen?«
    »Die Abteilung für abgeschaffte Wörter«, gab er Auskunft.
    Der Leser wird anläßlich dieser Antwort womöglich Fragen haben. Ich werde ihm gleich zur Verfügung stehen. Sobald der Kellner das Essen gebracht hat, erfährt er genau, was es mit »Abteilung« und so weiter auf sich hat.



 
     
     

Denn wenn Mullerowitschs essen, ist es besser, er läßt sich von mir unterhalten. Nicht etwa, daß diese Familie die Unsitte pflegte, beim Essen keine Gespräche zu führen. Ich schreibe dies, verehrte Leser, wahrhaftig ohne alle Ironie nieder, denn ich kann das stumme In-sich-hinein-Fressen auf den Tod nicht ausstehen. Vielmehr meine ich, daß der Leser
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