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Das elfte Gebot

Das elfte Gebot

Titel: Das elfte Gebot
Autoren: Lester del Rey
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    Die Erde hatte weder eine Blaskapelle noch eine jubelnde Menge entsandt, um Boyd Jensen anläßlich seiner Rückkehr auf die Welt seiner Vorfahren willkommen zu heißen. Zwar predigte jetzt im Jahr 2190 die Amerikanische Katholische Eklektische Kirche immer noch das Gleichnis vom verlorenen Sohn, aber dumme Schäfchen gab es kaum mehr, und Festlichkeiten waren allein der Stärkung der Frommen vorbehalten. Obendrein war dem Laienstand normalerweise das Betreten des unkrautüberwucherten Landefelds verboten. Demgemäß hatten lediglich zwei verschreckte Mönche und ein Priester das ruhige Absinken des kleinen, ferngesteuerten Raumfahrzeugs beobachtet.
    Nachdem sich die Ladeluke geöffnet hatte, tauschten die beiden in grobe Arbeitsroben gekleideten Mönche ängstlich Kisten und Säcke zwischen dem Schiff und einem kleinen, flachachsigen Motorladekarren aus. Unterdessen blätterte der Priester in elegant taillierter Robe von pastoralem Grün eine Aktenmappe mit Zollerklärungen und Dokumenten durch, die mit dem Schiff gekommen war. Nur ab und an glitt sein Blick hinüber zur Hauptluftschleuse. Offenbar schien er nur schwaches Interesse hinsichtlich der Tatsache eines Passagiers aufzubringen.
    Boyd Jensen drinnen im Schiff schloß den bodenlangen Umhang, den man ihm zu tragen geraten hatte, hob den schmalen Koffer mit seinen Habseligkeiten auf und kletterte über eine Leiter in die Luftschleuse hinab. Mit einer Körpergröße von knapp einem Meter achtzig war er für einen auf dem Mars aufgewachsenen Menschen von kleiner Statur, was durch eine leicht gebeugte Haltung noch verstärkt wurde. Mager und schlaksig von Gestalt, wirkte er wie ein Jüngling im schwierigen Pubertätsstadium, dessen Hände und Füße im Vergleich zum übrigen Körper viel zu groß wirkten. Das Gesicht jedoch zeigte die Reife seiner dreißig Lebensjahre. Das kurzgeschnittene blonde Haar, die blauen Augen und die festen Züge mochten alle vom selben Wikingerahnen abstammen, der auch für seinen Namen verantwortlich gezeichnet hatte. Es war ein intelligentes und hübsches Gesicht, obwohl schwerlich ein glückliches.
    Kurz zögerte er, bevor er das Schleusenventil betätigte. Als die Doppeltüren beiseite glitten, fing Boyd einen ersten Blick auf den Himmel ein – den unglaublichen Erdenhimmel, rundum in prächtigem Blau, von großflächigen, grauweiß getönten Flecken überzogen, die Wolken sein mußten. Die poetischen Beschreibungen und altertümlichen Farbfotos waren für sich allein schon interessant genug gewesen. Die Wirklichkeit jedoch war atemberaubend. Jetzt erst wurde Boyd völlig klar, daß dort draußen, jenseits der Luftschleuse, die Erde lag.
    Er nahm seinen Mut zusammen, faßte den Koffer mit festem Griff, trat nach draußen auf den grasbewachsenen Boden hinaus und nahm einen tiefen Atemzug von der legendären Atmosphäre. Gleich darauf fiel ihm der Koffer aus der Hand, sein Körper krümmte sich nach vorn, geschüttelt von würgendem Brechreiz. Tränen schossen ihm in die Augen, während er es nur mit großer Mühe schaffte, Magen und Kehle unter Kontrolle zu bringen.
    Der Planet stank! Die Luft war beißend und übelriechend, voll vom Gestank allen nur erdenklichen Unrats und von Fäulnis.
    Kaum hatte er sich wieder in der Gewalt, als der Priester in der grünen Robe die Aktenmappe zuklappte und auf ihn zukam.
    „Guten Tag, mein Sohn. Ich heiße Vater Gordini. Was ist mit Ihnen? Fühlen Sie sich nicht wohl?“ Äußerlich klang seine Stimme zwar besorgt, auf dem blasierten jungen Gesicht zeigte sich aber keine wahre Anteilnahme.
    Boyd hatte seine Kehle wieder soweit unter Kontrolle, um eine Antwort hervorzukeuchen. „Nein, schon gut. Es ist nur dieser – dieser Geruch … Er kam zu unerwartet für mich.“
    „Ach, meinen Sie?“ Feine aristokratische Nasenlöcher sogen schnüffelnd die Luft ein. Unschlüssig schüttelte der Priester dann leicht seinen Lockenkopf. „Nun ja, mag sein, daß die Gärsilos heute ein wenig streng riechen. Ja, ich glaube, Sie haben recht. Aber keine Sorge, daran haben Sie sich bald gewöhnt. Erst recht, wenn der Wind wieder seewärts weht … Wollen Sie jetzt bitte Ihr Gepäck aufnehmen und zurücktreten …“
    Inzwischen war der Laderaum von marsianischen Produkten geleert und mit irdischen Gütern aufgefüllt worden. Die beiden Mönche hatten vorn auf dem beladenen Motorkarren auf einer Sitzbank Platz genommen. Aufmerksam den Blick auf Vater Gordini gerichtet, hielten sie beide ein
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