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Das elfte Gebot

Das elfte Gebot

Titel: Das elfte Gebot
Autoren: Lester del Rey
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wartende Menge. Das Dreirad passierte den quadratischen freien Platz und bog an seinem Ende in eine an der Rückseite der Kathedrale liegende Straße ab. Abseits der Hauptverkehrsstraße trat erneut der augenfällige Kontrast zutage. Tatsächlich schien die Verwahrlosung hier noch größer zu sein als draußen am Landefeld, obwohl hier die Bevölkerungszahl geringer war. Verstärkt wurde dieser Eindruck noch durch die zur Linken sauber und leuchtend aufragende riesige Gestalt der Kathedrale.
    Das Dreirad bog nach rechts in eine zwischen zwei Treppenläufen liegende Durchfahrt ein. Es rollte eine Rampe aufwärts und bremste unterhalb des Erdgeschosses. Gordini stieg aus und reckte sich. Boyd konnte ein Humpeln nicht unterdrücken; sein Sitzfleisch hatte sein infolge der höheren Erdgravitation größeres Gewicht sehr ungnädig aufgenommen. Erleichtert sah er, daß Jem sich seinen Koffer griff und ihnen folgte.
    Der unterirdische Teil der Kathedrale stellte sich als ein Labyrinth von Hallengängen heraus, in denen geschäftiger Verkehr hastender Priester, Mönche und dunkelgekleideter Laienpriester herrschte. Schließlich betraten sie einen Empfangsraum, wo Boyd zu warten hatte, während Gordini mit dem dort sitzenden Mönch sprach. Der Mann bedachte Boyd mit einem abschätzenden Blick, nickte und verschwand irgendwohin. Gordini führte Boyd nun in ein kleines Büro, wo Jem den Koffer absetzte und sich dann verdrückte. Gordini sank auf einen Stuhl hinter einem Schreibtisch und bot Boyd eine weitere Sitzgelegenheit an.
    „Also, mein lieber Boyd, ich schlage vor, wir sollten jetzt die Formalitäten hinter uns bringen. Ihre Personaldaten können wir später Ihrem Dossier entnehmen, das hat noch Zeit. Wie wäre es, wenn Sie Ihren Koffer öffneten, damit ich ihn auf mögliche Schmuggelware untersuchen kann?“
    Sorgfältig untersuchte der Priester den Kofferinhalt, wobei er dem Feldwellenmiskroskop samt Zubehör, welches den größten Teil des Inhalts ausmachte, keine Beachtung schenkte. Verschiedene Kleidungsstücke legte er beiseite, durchblätterte die paar dünnen Bücher und wandte sich dem übrigen kleinen Stapel zu. „Diese Kleidungsstücke dort werden Sie nicht benötigen, weil wir neue an Sie ausgeben werden. Eigentlich dürfte ich es nicht, aber ich will Ihnen mal diesen Plunder gegen eine komplette Ausstattung gutschreiben.“ Gordini öffnete eine kleine Kiste und starrte, etwas geringschätzig lächelnd, auf die darin befindlichen Heftpflasterstreifen. „So primitiv, daß sie die mitbringen mußten, Boyd, sind wir nun auch wieder nicht. Wenn ich Sie daran erinnern darf, waren Drogen und Antibiotika längst auf der Erde bekannt, bevor der Mars kolonialisiert wurde. Irgendwelche Hormone dabei?“
    Diese Frage enthielt eine überraschende Schärfe. Boyd überlegte sorgsam, schüttelte dann aber verneinend den Kopf. „Nein. Nur etwas Enthaarungsmittel, um den Bart zu entfernen – möglich, daß in ihm Hormone enthalten sind.“
    „Das ist nicht verboten – ich selbst benutze auch ein derartiges Mittel.“ Mit diesen Worten knallte der junge Priester den kleinen Koffer wieder zu und begab sich wieder hinter seinen Schreibtisch, wo er die Unterlagen zu studieren begann. „Übrigens, was ist bitte ein Zytologe?“
    „Ein spezialisierter Nuklearbiologe, heutzutage wohl ein Zelleningenieur. Während meines Hauptstudiums habe ich mich mit Problemen beschäftigt, die die Art und Weise, wie sich die Kettenmoleküle des Zellkerns der lebenden Zellen zusammensetzen, zum Inhalt hatten.“
    „Soso, hm. Wie ich sehe, haben Sie den Magistergrad, aber noch nicht die Doktorwürde erlangt.“
    Boyd nickte. Inzwischen hatte sich die Bitterkeit über die lange Krankheit gelegt, die ihn gezwungen hatte, sein Studium zu unterbrechen. Die Ärzte waren ratlos gewesen, bis er schließlich aus der rätselhaften Krankheit herauszuwachsen schien. Mit dreißig war er für die marsianischen Universitäten zu alt gewesen, so daß er es aufgegeben hatte, einen Doktorgrad zu erreichen. Schließlich hatte sich ihm die Chance geboten, zur Erde zu gehen, wo die reichere Lebensvielfalt ihm eine neue, ungewöhnliche Gelegenheit verschaffte.
    Aus einer Schublade seines Schreibtischs zog der Priester ein Buch hervor, das sich als Telefonbuch erwies. Der Telefonapparat selbst war weder mit einer Wählscheibe noch mit einer Tastatur ausgestattet. Als Gordini in die Sprechmuschel einige Worte hineinmurmelte, dachte Boyd zuerst, es reagierte auf
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