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Das elfte Gebot

Das elfte Gebot

Titel: Das elfte Gebot
Autoren: Lester del Rey
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Kruzifix hocherhoben in den Händen, dessen Arme seitwärts hochgebogen waren, so daß sie einen stumpfen Dreizack bildeten. Als Boyd zurücktrat, bemerkte er auch in den Händen des Priesters ein Kruzifix, welches auf das Schiff gerichtet war.
    In diesem Moment schloß auf ein zeitlich festgelegtes Signal von innen die Automatik die Luftschleuse und die Ladeluke. Vater Gordini begann irgendwelche Beschwörungsformeln zu murmeln, die in einen leiernden Singsang übergingen, und dabei das Kreuz hin und her zu wedeln. Boyd konnte wegen des Studiums der lateinischen Ursprünge dieser Religion einige Worte identifizieren, der Sinn des Rituals blieb ihm aber ein Rätsel. Mit hochgereckten Armen und unbeweglich dastehend, beendete Gordini den Gesang.
    Die Abstimmung war perfekt. Im gleichen Moment rührte sich das Schiff und hob sich lautlos auf seinem raumkrümmenden Feldgeneratorenantrieb. Erst von mehreren Kilometern Höhe an, wo es nur noch ein Punkt am Himmel war, entwickelte es seine volle Kraft und schien sich von einem Augenblick zum andern aufzulösen. Mit ihm ging Boyds letzter Kontakt zu jener Welt, auf der drei Generationen von Jensens geboren wurden.
    Furchtsam bekreuzigten sich die beiden Mönche, als das Schiff verschwand. Vater Gordini beugte einen Augenblick lang seinen Kopf, fuhr dann aber fort zu beten. Von irgendwo im Innern seiner Robe zog er ein kleines Fläschchen heraus und sprengte den Inhalt rundum dort auf dem Boden aus, wo das Schiff gestanden hatte.
    „Exorzismus und Reinigung des Bodens“, erläuterte er bei seiner Rückkehr zu Boyd. „Sicher, ein abergläubischer, aber harmloser Brauch – und ein notwendiger für die Brüder, denen es an unserem rationalen Blick auf Dinge ermangelt, welche die Himmelsmächte profanieren. Alles klar, Bruder Roger, wir können jetzt abfahren.“
    Der ältere der beiden Mönche rutschte hinter das Steuerrad und betätigte eine Anzahl von Hebeln und Schaltern. Brennstoff zischte gegen die Kolben, und ein starker Geruch verbrannten Sprits machte sich breit. Holpernd setzte sich der Karren über den unebenen Boden hinweg in Bewegung, nur gefedert von der Elastizität der Plastikspeichen in den vollgummibereiften Rädern. Vater Gordini folgte mit flottem Schritt hinterdrein und winkte Boyd auffordernd zu, ebenfalls zu folgen.
    Boyd runzelte die Stirn, als er seinen Koffer hochhob. Nachdem die Regierung seine Bewerbung für die Venuskolonie abgelehnt und ihm den Bescheid erteilt hatte, er werde statt dessen als Austauschstudent zur Erde geschickt, hatte er manche Stunde zwecks Stärkung seiner Muskulatur in der Zentrifuge zugebracht. Bis jetzt schien er die höhere Schwerkraft gut zu verkraften, aber er bezweifelte, daß er fähig war, auch nur eine kurze Strecke mit dem Koffer zurücklegen zu können.
    „Ist es sehr weit?“ erkundigte er sich, bemüht, nicht beunruhigt zu erscheinen.
    Gordini warf einen Blick auf seinen Koffer und lächelte leicht. „Weit genug, Boyd, aber kaum zu Fuß. Ich habe ein Dreirad besorgt, das draußen auf uns wartet. Bei knapp dreißig Stundenkilometern kann man mit diesen Kraftwagen unmöglich fahren. Sie werden das Dreirad besser finden.“
    Sie langten an der Eingangshalle des Landefelds an. Während der Ladekarren davontuckerte, schloß der Priester ein schweres Tor auf und entfernte ein daran befestigtes, kunstvoll verziertes Verbotsschild. Innerhalb des Gebäudes, welches einstmals die Rezeption gewesen sein mußte, versuchte Boyd, das Dunkel mit seinen Blicken zu durchdringen. Das Dach war eingefallen, und überall lagen Schutt und Trümmer herum. Dann erspähte er das Dreirad, das irgendwie einem überdimensionierten Kinderdreirad, komplett mit Sattel und Kettenantrieb, ähnelte. Zwischen den beiden Hinterrädern befand sich eine gepolsterte Sitzfläche, breit genug für zwei Personen, und dahinter ein Kofferraum. Auf Gordinis leises Pfeifen hin tauchte hinter einem Pfeiler aus Mauerwerk ein untersetzter, massiger Mann hervor. Bei Boyds Anblick verfinsterte sich seine Miene, und mit zwei Fingern einer Hand ein merkwürdiges Zeichen vollführend, wich er zurück.
    „Laß es gut sein, Jem!“ beruhigte ihn der Priester mit leichter Belustigung in der Stimme. „Boyd hat keinen bösen Blick. Er ist so menschlich wie ich, mein Wort darauf. Sei so lieb und nimm bitte seinen Koffer!“
    Der Mann leistete der Bitte Folge, obwohl mit sichtlichem Widerstreben. Sobald Boyd neben Gordini auf der Sitzbank Platz genommen hatte, bestieg
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