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Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)

Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)

Titel: Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)
Autoren: J. R. Ward
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Eins
    Grabesstille.
    Und das nicht im Sinne von betretenem Schweigen, sondern im Sinne von Kreuzen und frisch geschaufelter Erde, Leichen in Särgen, Asche zu Asche und Staub zu Staub.
    Matthias lag nackt auf einem Grab. Mitten auf einem Friedhof, der sich um ihn herum ausdehnte, so weit das Auge reichte.
    Sein erster Gedanke galt den Tattoos, die er seinen Männern damals aufgezwungen hatte, die mit dem Sensenmann auf einem Feld von Marmor- und Granitgrabsteinen.
    Eigentlich scheißabsurd – und wer weiß, vielleicht würde er tatsächlich jeden Moment von einer Sense zersäbelt.
    Von einer Sense zersäbelt, fast ein Zungenbrecher.
    Er blinzelte, um das bisschen Sicht, über das er verfügte, klarer zu bekommen, zog fröstelnd die Beine an und schlang die Arme um den Körper, darauf wartend, dass die Szenerie vor ihm sich wieder in seine eigene Realität verwandelte. Als nichts passierte, fragte er sich, wohin die Wand, in der er eine Ewigkeit eingeschlossen gewesen war, verschwunden war.
    War er endlich aus dem ekligen, engen Folterloch freige kommen?
    War er nicht mehr in der Hölle?
    Mit einem Stöhnen versuchte er, sich aufzurichten, aber es war schwer genug, überhaupt nur den Kopf zu heben. Anderer seits – am eigenen Leib zu erfahren, dass diese ganzen religiösen Spinner in vielen Dingen recht gehabt hatten, konnte einen Mann schon von den Füßen holen: Sünder nahmen wirklich den Fahrstuhl nach unten, und zwar nach ganz unten, und wenn man dort ankam, dann ließ das Leiden den ganzen Mist, über den man sich auf der Erde aufgeregt hatte, wie einen Kindergeburtstag erscheinen.
    Es gab einen Teufel.
    Und ihr Wohnzimmer war scheiße.
    Wobei die Frömmlinge nicht zur Gänze im Bilde waren. Satan hatte nämlich weder Hörner noch einen Schwanz und auch keine Mistgabel oder Pferdefüße. Eine miese Schlampe war sie hingegen schon, und sie trug wirklich gerne Rot. Dunkel haarigen stand die Farbe aber auch einfach gut – zumindest redete sie sich das ein.
    Mit dem linken Auge, dem funktionstüchtigen, blinzelte er erneut, darauf gefasst, dass jeden Moment die dichte, heiße Schwärze zurückkehrte, und mit ihr die Schreie der Verdammten und sein eigener Schmerz, der ihm beißend in der Kehle aufstieg und durch die aufgesprungenen Lippen gellte …
    Nein, nichts passierte. Er lag immer noch auf einem Grab. Auf dem Friedhof.
    Splitterfasernackt.
    Er sah sich um und entdeckte eine Reihe von hellen Marmorgrüften und Familiengräbern mit Engeln und geisterhaften Marienstatuen, obwohl das Gängigste diese kümmerlichen, fla chen Steintafeln am Grabende waren. Kiefern und Ahornbäume warfen Schatten auf welkes Frühlingsgras und schmiedeeiserne Bänke. Laternen erstrahlten in pfirsichfarbenem Licht wie Kerzen auf einem Geburtstagskuchen, und die gewundenen Wege, die den Friedhof durchzogen, hätten an jedem anderen Ort romantisch ausgesehen.
    Nicht so hier. Nicht in diesem Todeszusammenhang.
    Aus heiterem Himmel zogen Momente seines Lebens an seinem geistigen Auge vorbei, was ihn dazu veranlasste, sich zu fragen, ob er nicht vielleicht gerade einen zweiten Versuch im Sterben unternahm. Beziehungsweise einen dritten, wenn man es genau nahm.
    Rückblickend gab es kein Friede, Freude, Eierkuchen. Kein liebendes Frauchen oder hübsche Kinder, keinen weißen Gartenzaun. Nur Leichen, Dutzende, Hunderte, deren Tod er selbst auf dem Gewissen oder in Auftrag gegeben hatte.
    Er hatte in seinem Leben viel Böses getan, wahrhaft Böses.
    Als er sich jetzt mühsam vom Boden hochstemmte, war sein Körper wie ein Bausatz, dessen Einzelteile nicht ganz zusammenpassten, bei manchen Verbindungen war zu viel Spiel, andere waren zu eng. Aber das kam eben davon, wenn man sich selbst in seine einzelnen Bausteine zerlegte und nur die Ärzteschaft und die eigenen Heilkräfte zur Verfügung hatte, um alles wieder zusammenzusetzen.
    Er richtete die Augen auf den Grabstein und runzelte die Stirn.
    James Heron.
    Gütiger Himmel, James Heron …
    Ohne sich darum zu kümmern, dass seine Hand zitterte, fuhr er die tief eingravierten Buchstaben nach, seine Fingerspitzen versanken in dem polierten grauen Granit.
    Ein Röcheln entrang sich seinem Brustkorb, als hätte der Schmerz, den er urplötzlich empfand, sämtlichen Sauerstoff aus seiner Lunge gepresst.
    Er hatte keine Ahnung gehabt, dass es einen ewigen Lohn gab, dass die eigenen Taten gezählt und abgewogen wurden, dass auf den letzten Schlag des Herzens prompt ein Richterspruch folgte. Das
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