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Das elfte Gebot

Das elfte Gebot

Titel: Das elfte Gebot
Autoren: Lester del Rey
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auf Gordinis Gesicht. „Ist es nicht so, daß dies jeder Mensch sein Lebtag lang gegenüber seinen Mitmenschen und vor Gott ist, mein Sohn? Trösten Sie sich, Sie sind nicht der erste, dem das passiert. In letzter Zeit wurden mehrfach Verbannte zu uns geschickt, wenn auch in der Vergangenheit Hunderte davon zurückgekehrt sind. Die Erde ist nun Ihre Heimat – das Recht darauf haben wir noch niemals einem Menschen verweigert. Seien Sie willkommen daheim, Boyd Jensen.“
    „Vielen Dank“, sagte Boyd, was er auch ehrlich meinte. Für den Moment empfand er jede freundschaftliche Geste, war sie auch noch so formal, als hilfreich. „Also, sechs Monate lang reichen meine Geldmittel. Die Zukunft danach liegt im Ungewissen. Was geschah eigentlich mit den anderen Verbannten?“
    „Keine Ahnung. Soweit ich weiß, ist es den meisten nicht gut ergangen. Vermutlich haben sie es abgelehnt, sich anzupassen.“ Gordini zuckte die Achseln. „Bei Ihnen habe ich allerdings größere Hoffnung. Sie haben den Schlag ziemlich gut aufgenommen. Und wenn Sie dieses … dieses Miskroskop verkaufen … Weil es ein wesentlich neueres Modell ist als diejenigen, die bisher bei uns eintrafen, werden Sie weitaus mehr dafür erhalten, als Sie jetzt an Barschaft besitzen.“
    Boyd schüttelte den Kopf. Für einen Mann wie ihn, der jene Wissenschaft zu praktizieren gedachte, die er studiert hatte, war ein Miskroskop das einzige unentbehrliche Hilfsmittel. Erst recht war er nicht gewillt, jetzt, nachdem ihm alles andere genommen war, den einzigen Gegenstand wegzugeben, der ihm noch verblieben war.
    „Nun gut, irgend etwas wird sich schon finden“, sagte Gordini. „Ich habe meine Fühler bereits ausgestreckt, und ganz ohne Einfluß bin ich gewiß nicht … Herein!“
    Herein kam ein Mönch mit zwei verhüllten Tabletts. „Tut mir leid, Vater, daß es so lang gedauert hat“, erklärte er. „Aber die Küche war bereits geschlossen.“
    „Macht nichts – dieses eine Mal!“ Mit diesen Worten entließ er ihn und deckte die Tücher der Tabletts auf, woraufhin Dampf emporstieg. „So banal es klingt, Boyd, so wahr ist es dennoch, daß die Dinge auf leeren Magen immer schlimmer aussehen als sie sind. Ich rate Ihnen, das alles hier aufzuessen.“
    Boyd nahm gehorsam einen Bissen von der grünlich-gelben Substanz auf dem Teller, die verwelktem Gemüse glich, sich aber als köstlich schmeckend erwies. Im Unterschied zu den blaßroten Beilagen, fest im Biß und durchaus genießbar, aber mit einem strengen und fremdartigen Beigeschmack.
    „Irgendeine Algenart mit Pilzkulturen“, erklärte Gordini auf Boyds fragenden Blick. „Das grüne Zeug, meine ich. Wir versorgen uns größtenteils mit Nahrung aus dem Meer. Das andere ist Krill. Wir betreiben zwar auch Fischfang, aber es ist weitaus wirtschaftlicher, den Krill zu nutzen, der auf Pflanzen-Planktonbasis lebt, als den Fisch zu ernten, der auf Krillbasis lebt. Sie täten gut daran, sich an ihn zu gewöhnen, trotz der Tatsache, daß Meeresnahrung vermutlich ziemlich fremd für Sie ist.“
    Boyd nickte unbestimmt, während er automatisch weiteraß. Momentan war es ihm ziemlich gleichgültig, wonach das Essen schmeckte.
    „Warum?“ fragte er schließlich, sich kaum der Frage bewußt werdend.
    „Aus geschichtlichen Gründen“, antwortete der Priester, der irgendwie spürte, was dies Wort alles beinhaltete. „Auf dem Mars wird doch Geschichte gelehrt, nehme ich an, oder?“
    Natürlich wurde Geschichte gelehrt, obwohl Boyd persönlich keinen Nutzen darin sah. Seiner Erinnerung nach war der Mars von der Sowjetunion kolonialisiert worden. Mit einiger Verspätung war dann der Mond von den USA besiedelt worden, nachdem 1993 aus irgendwelchen Gründen ein verheerender Atomkrieg ausgebrochen war. Als dessen Folge hatten die Mondsiedler das Angebot der Marsianer zur Vereinigung angenommen und sich danach aufgrund der Überzeugung, daß der Heimatplanet total verseucht war, weitgehend von der Erde abgekapselt. Eine Zeitlang danach waren noch prominente Persönlichkeiten von der Erde aufgenommen worden, bis die Erkenntnis, sie damit der wenigen verbliebenen Gutgesinnten zu berauben, zur Verhängung eines totalen Einwanderungsstopps geführt hatte.
    Gordini lächelte. „Ihre Geschichte entspricht fast genau dem, fürchte ich, was unsere Kinder lernen. Ich sollte es eigentlich genau wissen, weil ein Onkel von mir die Schulbuchtexte genehmigt. Jetzt will ich Ihnen meinerseits erzählen, was wir an Fakten
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