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Der negative Erfolg

Der negative Erfolg

Titel: Der negative Erfolg
Autoren: Gerhard Branstner
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Pflaumen rauschten durch die Zweige und fielen zu Dutzenden ins Gras. Die beiden Männer hoben sich eine Handvoll auf und standen, schweigend und Pflaumen kauend, am Rande der schnurgeraden, staubigen Allee.
    »Und wie komme ich zurück zur Erde?« fragte der Astrometer zwischen zwei Pflaumen.
    »Morgen geht ein Transport Geheilter ab«, meinte der Vergilbte, und er spuckte einen Kern aus, »da wird man Sie sicherlich mitnehmen.«



 
     
     

Zu Besuch auf der Erde
     
    Was jetzt kommt, ich sage es nur gleich und ohne Umstände, verstößt gegen alle Regeln der Kunst. Es war dies ein schweres Stück Arbeit. Nicht nur, daß ich mir erst alle Regeln erfragen mußte, um gegen sie verstoßen zu können. Manche sind so anziehend, daß man bestimmt auf sie hereinfallen würde, wenn man sie nicht genau kennte. Man muß schon kein Dummkopf sein, wenn ein solches Versprechen, alle Regeln der Kunst wie Luft zu achten, kein hohles Wort sein soll. Kaum hat man einen Satz geschrieben in dem guten Glauben, daß darin aber auch gar nichts an Kunst enthalten sei, und schon springt einem eine Regel ins Auge, der man unvermerkt gefolgt ist. Man tilgt sie aus, um letzten Endes doch nur einer anderen Genüge getan zu haben. Ja, es ist schwer, kein Künstler zu sein. In einem fort fällt man über seine Unfähigkeit, der Kunst aus dem Wege zu gehen.
    Nun, mein Lieber, wird der Leser sagen, wir haben dich durchschaut. Du willst deine totale Unfähigkeit, den Regeln der Kunst zu folgen, als eine aparte Fähigkeit, die Regeln der Kunst zu umgehen, ausgeben und dafür noch einen besonderen Respekt einhandeln. Nichts von alledem, verehrter Leser, nichts von alledem. Zwar rechne ich auf deinen Respekt, aber in dem Bewußtsein, ihn ehrlich verdient zu haben. Wenn du es nicht wahrhaben willst, so versuch es nur einmal selber, und du wirst sehen, daß die Regeln der Kunst wie kleine Kinder sind, über die man allenthalben stolpert, wenn man nur genug davon hat.
    Was also blieb mir übrig in einer Lage, in der Fleiß nicht helfen konnte? Ich mußte eine Idee haben, um der Kunst mit einem Hieb den Garaus zu machen, das Übel durch einen Husarenstreich gleichsam mit der Wurzel auszureißen, und die Wurzel aller Kunst ist die Wahrheit. Ohne sie ist die Kunst, was die Pflaume ohne Wurm: ein Ding, worüber sich kein Mensch aufregt.
    Nachdem ich nun auf diese Weise jedem Vorwurf, das Kommende sei keine Kunst und nicht des Aufregens wert, weil absolut ohne Wahrheit, begegnet bin auf eine Weise, daß der Leser nicht sieht, wie er mir diesen Vorwurf trotzdem noch machen kann, ohne sich in den Schlingpflanzen meiner Vorrede zu verheddern, komme ich ohne weiteres zur Sache.
    In einer Zeit, da der Kommunismus schon längst in allen Ländern Wirklichkeit geworden war, hatte die Menschheit einen weit außerhalb unseres Sonnensystems kreisenden Planeten entdeckt, der ihr die gleichen Lebensbedingungen bot wie die Erde, dieser gegenüber jedoch den unschätzbaren Vorteil besaß, noch nicht von ungeschickten Versuchen vernunftbegabter Lebewesen verdorben zu sein. Es gab dort keine verbauten Städte, verschandelten Landschaften, unrationell verteilten Industrieanlagen. Kurz, dieser Planet war noch jungfräulich und also vorzüglicher Gegenstand der schöpferischen Phantasie. Da nun jeder der erste sein wollte, kam es, daß die Menschheit ziemlich auf einmal die Möbel packte und umzog. Mit Kind und Kegel, Koffern und Schachteln machte man sich auf, so daß der Himmel tagelang verdunkelt war.



 
     
     

Als endlich alles auf der Erde Numero II verstaut war, kehrte die Menschheit noch einmal zur Erde Numero I zurück, um in einer geschlossenen Veranstaltung Abschied zu nehmen. Zuvor aber mußte entschieden werden, was mit der alten Kugel werden sollte. Ein Symposium wurde einberufen, um mit Bedacht zu beraten. Einer machte den Vorschlag, einfach alles so stehen- und liegenzulassen, wie es gerade stehe und liege. Ich glaube, dieser Vorschlag kam von einem Deutschen. Darauf machte ein anderer den Vorschlag, Benzin darüber zu gießen und ein Streichholz daranzuhalten. Wenn ich mich recht erinnere, brachte diese Idee ein Amerikaner vor. Darauf entgegnete ein dritter, das wäre eine relative Undankbarkeit, man solle die Erde als Museum einrichten. Diesen Vorschlag machte wohl ein Russe. Er wurde angenommen. Die Dialektik des Wortes »relativ« vereinte alle gegensätzlichen Meinungen. Seit dieser Zeit ist die gute alte Erde ein beliebtes Ausflugsziel.
    Es war
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