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Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur

Titel: Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur
Autoren: Bastei Lübbe
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und es prägt und belastet bis heute das Miteinander von Alter und Neuer Welt. Andererseits verdienen die europäischen Abenteurer, aus ihrer eigenen Zeit heraus beurteilt zu werden und nicht allein mit dem Wissen und der Aufgeklärtheit der modernen Perspektive – was natürlich keineswegs bedeuten darf, Lobgesänge auf die Conquistadores anzustimmen.
    Der »Wilde«, der Unterdrückung und Sklaverei verdient und dankbar zu sein hat, weil ihm das Christentum aufgezwungen wurde, verwandelte sich in den Augen der europäischen Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert zum »edlen Wilden«, der als naturnah, unverdorben und ursprünglich gerühmt wurde. Für den Ruhm des Unverdorbenen stritt insbesondere der französische Denker und Wegbereiter der Französischen Revolution (und dabei privat zutiefst zerrissene Mensch) Jean-Jacques Rousseau, der nicht nur seine Uhr weggeworfen hatte, sondern auch vehement dafür eintrat, die vermeintlichen Segnungen der Kultur als das zu begreifen, was sie seiner Meinung nach eigentlich waren: Wegmarken des Verfalls und der Entwicklung immer weiter weg vom Urzustand des unbefangenen Menschen in der paradiesischen Natur. Nach Rousseau sind die eigentlichen Glücksgüter Einfalt, Unschuld und Armut, und das Unglück der Menschen begann mitdem ersten Eigentum und der auf dem Fuße folgenden Erfindung von Herrschaft. Ergebnis dieser Sichtweise war der verklärte Blick auf alles Natürliche und eben jenen »edlen Wilden«.

    In Rousseaus Wirkungszeit fällt auch die Geburtsstunde der modernen Archäologie, aber die Entdeckung der vom Regenwald überwucherten Überbleibsel der versunkenen Zivilisation der Maya ließ noch einige Jahrzehnte auf sich warten. Im 19. Jahrhundert veranlasste ihre Begeisterung für die junge Disziplin Archäologie und ihre Entdeckungslust zwei Freunde, den US-Amerikaner John Lloyd Stephens und den Briten Frederick Catherwood, sich in Mittelamerika auf die Suche nach vergessenen Ruinenstätten der Maya zu machen. Was sie unter anderem in Copán, Palenque und Quirigua entdeckten, würdigten sie kunstvoll und präzise mit Texten und Zeichnungen. Zum einen wollten die reisenden Freunde Stephens und Catherwood erklärtermaßen beweisen, dass die einstigen Besitzer Amerikas keine Wilden waren. Zum anderen begründeten sie im ruinenseligen 19. Jahrhundert eine Faszination für die alten Maya, die bis heute unvermindert anhält. Damit begann die zweite Karriere der Maya und bald auch ihres Kalenders.
    Während Stephens und Catherwood neugierig waren und eher unbelastet beschrieben und zu verstehen versuchten, was sich ihnen darbot, diente die eben entdeckte versunkene Kultur anderen als willkommene Projektionsfläche. Und als solche wird sie bis heute weidlich ausgeschlachtet – für moderne Ängste ebenso wie für Sehnsüchte oder wilde Fantasien. Der Archäologe David Webster hat die Anhänger solcher Projektionen, dabei vernehmlich zwischen den Zeilen seufzend, als die »Groupies versunkener Zivilisationen« bezeichnet.
    Die Geschichte der Maya und die ihrer Erforschung besitzen aber auch das Zeug dazu, »Fans« anzuziehen. Da wären die romantischenUmstände ihrer Entdeckung nach langem Dornröschenschlaf im Regenwald – also Bauten, die nicht wie anderswo in späteren Jahrhunderten umgenutzt, zerstört oder überbaut worden waren; dann das spektakuläre Auf und Ab der Entzifferung ihrer Schrift; die rätselhafte Aufgabe der stolzen Städte; die exotischen Figuren und grimmigen Fratzen auf Skulpturen und in Schriftzeichen; die intellektuellen Errungenschaften, die man einem Urwaldvolk ohne Rad und Metallwerkzeuge nicht zutrauen möchte.
    Dabei waren (und sind) auch die Forscher keineswegs gefeit gegen Fehleinschätzungen und Überinterpretationen. Insbesondere weil das Geheimnis der Maya-Schrift erst in den letzten Jahrzehnten gelüftet werden konnte, blieb zuvor reichlich Zeit für Einschätzungen, die anschließend, längst lieb gewonnen, nicht selten anhand der entzifferten Texte revidiert werden mussten – und manchmal erbittert verteidigt wurden.
    Zwei schillernde Persönlichkeiten gaben sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts alle Mühe nachzuweisen, die Maya seien nicht nur als Mutterkultur für Mittelamerika anzusehen, sondern hätten auch in Verbindung mit außer-amerikanischen Kulturen gestanden: Augustus Le Plongeon, ein Amateurarchäologe in der Frühzeit der neuen Disziplin und begnadet darin, sich Feinde zu machen, sowie Jean Frédéric Waldeck, der
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