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Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur

Titel: Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur
Autoren: Bastei Lübbe
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Herrschaftsinstruments erweitert wurde, dass aber diese Herrschaftszeit der Naturzeit einstweilen nicht in die Parade fährt. So kommt es, dass auf der Ebene des Alltags diese natürliche Zeit weiterhin maßgeblich blieb als die vorherrschende, lebensbestimmende Form der Zeiterfahrung der großen, wenn auch stummen Mehrheit. Als Herrschaftsinstrument dagegen erhielt die Zeit zunehmend eine politische und ideologische Funktion. Solange die Zeit aber ihre religiös-kosmologische Bedeutung behauptete und ohne eine Ökonomisierung der Zeit wie in der Moderne, können beide Zeitordnungen nebeneinander bestehen.
    Im Fall der Maya bleibt der religiöse Charakter der Zeitrechnung deshalb so besonders ausgeprägt, weil Kalender und Kosmos schon sehr früh aneinandergekettet werden und die Herrschaftsausübung sich daran orientieren muss. Ideell ist das im Christentum nicht anders, aber zum einen übernimmt, anverwandelt und modifiziert das Christentum den heidnischen römischen Kalender, dem das Christliche eigentlich nur aufgepfropft wurde. Zum anderen hat die Zeit im Christentum zwar eine theologisch bedeutsame, aber rituell keine derart herausgehobene Funktion wie bei den Maya.
    Dort aber führte die politisch-ideologische Funktion von Zeit und Kalender zusammen mit der starken Ritualfunktion der Zeit zur Zweigleisigkeit von zyklischer und linearer Zeit. In der Wahrnehmung der Maya spielte diese Unterscheidung vermutlich keine große Rolle, weil die jüngere lineare Zeit in ihrer Sicht immerauf den althergebrachten Zyklen beruhte und wenig mit der Alltagswirklichkeit zu tun hatte. Trotzdem ist diese Erweiterung der Zeitrechnung für die politische Herrschaftsausübung sehr bedeutsam, weil damit (und trotzdem immer im Einklang mit religiösen Vorstellungen) die Dynastien ihre Führungsrolle legitimieren und propagandistisch verwerten konnten.
    Im Missverständnis eines rein dualen Systems von Zeitrechnung in der Geschichte, also von sich gegenseitig ausschließender Öko-Zeit und industrieller Zeit, liegt schließlich die Faszination des Maya-Kalenders bis in unsere Tage begründet – und ebenso die Fehlurteile, die damit verbunden sind.

AUGUSTUS, ERICH
UND MOMOS GRAUE MÄNNER
    Die zweite Karriere des Maya-Kalenders
    Beginnen wir ganz am Anfang der vielen Missverständnisse und Überfrachtungen der Maya mit Projektionen: bei der spanischen Eroberung seit 1519. Damals war die abendländische Überheblichkeit, die die westliche Welt bis heute kaum abzuschütteln vermag, vor allem christlich geprägt. Die Eroberung von europäischerseits bis dahin unbekannten Winkeln der Erde war zwar insbesondere wirtschaftlich motiviert, weil man sich unermessliche Reichtümer versprach (sowie durch die Tatsache, dass man sich zu diesen Eroberungsfahrten überhaupt in die Lage versetzt sah). Die Gewissheit, der einzig wahren Religion anzugehören und mit jeder Eroberung ihre Kunde weiter in die Welt hinauszutragen, reiste jedoch immer mit und prägte den Blick auf das Neue, Fremde, Exotische. Folglich konnte sich jeder noch so gierige Abenteurer zugutehalten, im Namen der Kirche zu handeln – hatte doch Papst Alexander VI. die Bekehrung aller Heiden ausdrücklich zur vornehmsten Aufgabe der Christenheit erklärt. Widerstand dagegen berechtigte automatisch zur Eroberung und Versklavung, was bekanntermaßen zuhauf praktiziert wurde.
    Das Staunen der Eroberer insbesondere angesichts der riesigen Städte mit ihren prachtvollen Bauten brachte dieses Überlegenheitsgefühl nicht nennenswert ins Wanken – die nächsten Jahrhunderte bestimmte der Begriff »Wilde« die Debatte um die Bewohner der Neuen Welt und wie mit ihnen umzugehen sei. Abstufend wurde dabei zwar durchaus unterschieden zwischen umherstreifenden Indios im Amazonasbecken und der beeindruckenden Kulisse Tenochtitláns – aber so wie die Griechen einstmalsin Bausch und Bogen alles als barbarisch bezeichneten, was nicht griechisch sprach ( bárbaros bedeutet »Stammler«), so galt den Europäern alles als wild, fremd, unzivilisiert, was nicht christlich war. Im Bericht eines spanischen Copán-Reisenden des späten 16. Jahrhunderts heißt es mit Verweis auf die dortigen Reste der klassischen Epoche, dieses einstige Zentrum einer unübersehbar hochkultivierten Macht hätten zweifellos andere Leute erbaut als die jetzigen ungeschlachten Bewohner. Punktum und damit Schluss.
    Dieses auf Ignoranz beruhende Missverständnis geht natürlich weit über die westliche Sicht der Maya hinaus,
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