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Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur

Titel: Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur
Autoren: Bastei Lübbe
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sich auch schon mal einen Adelstitel andichtete, wenn es zum Fortkommen nötig schien. Le Plongeon schrieb ein abstruses Buch über eine angebliche Maya-Königin und die ägyptische Sphinx – er vertrat regelrecht eifernd die Theorie, die alten Kulturen diesseits des Atlantiks verdankten ihre Kultur den Maya – ob Indien, Mesopotamien oder Ägypten. Außerdem habe Jesus für seine letzten Worte am Kreuz die Sprache der Maya benutzt. Waldeck dagegen stieß beispielsweise auf vermeintliche Abbildungen von Elefanten in Hieroglyphen – die diese Interpretation bei näherem Hinsehenkeineswegs hergeben. Für ihn stellte seine »Entdeckung« jedoch den Beleg für Kulturkontakte des mesoamerikanischen Volkes nach Asien dar, wofür die Atlantis-Sage als Verbindungsglied herhalten musste.
    Andere Interpretationen waren weniger abenteuerlich, erwiesen sich aber trotzdem als falsch und kaum minder als Wunschdenken. Dazu gehört die lange vorherrschende Sicht der Maya als »Griechen der Neuen Welt«, die allein um Geistesarbeit bemüht waren, oder auch die einer heiligen Gemeinde von Priestergestalten, die ein gottgefälliges Leben führten, das ausschließlich von Ritualen und esoterischen Beschäftigungen ausgefüllt war. Ihre Städte seien heilige Zeremonialzentren ohne Wohnbevölkerung gewesen, und nur ein paar einsame Priester seien demütig von Tempel zu Tempel geschlichen. Eine Erklärung, warum Mathematik, Astronomie und Kalenderkunde so weit entwickelt waren, wurde gefunden, lange bevor die Entzifferung der Schrift konkrete Ergebnisse zeitigte. Das jedoch führte zu der Fehleinschätzung, die noch unlesbaren Inschriften enthielten dementsprechend sämtlich gelehrte Inhalte, aber keine Geschichtsschreibung oder Hinweise auf Herrscher. Ein weiterer Gegenstand von Projektionen und Spekulationen war der legendäre Kollaps der Tieflandstädte der Klassik, weil für ihn – bis heute – keine einfachen Erklärungen zu finden sind.
    An Krieg war einem derart vergeistigten Club natürlich ganz und gar nichts gelegen – diese Mär der friedliebenden Maya hat sich besonders hartnäckig behauptet. Die Pazifistenthese ist beispielhaft für die Projektion zeitgenössischer Nöte oder Ideale auf die Maya mehr als ein Jahrtausend zuvor, denn es war nicht zufällig eine Sehnsucht des gewaltvollsten aller menschlichen Jahrhunderte, des zwanzigsten, wenigstens in ferner Vergangenheit eine Zivilisation ausmachen zu können, die dem Kriege abgeschworen hatte. Der insgesamt höchst verdiente Maya-Forscher EricThompson schrieb dazu: »Wir können mit Sicherheit schlussfolgern, dass die Maya miteinander in Frieden lebten und dass Krieg allein geführt wurde, um sich gegen einfallende Horden aus Mexiko zu verteidigen.« Die Arbeitsteilung in Mesoamerika schien klar: Für Krieg waren die blutrünstigen Azteken zuständig, die Maya hingegen für alles Intellektuelle, Feingeistige. Thompsons Autorität war so groß, dass dieser Glaubenssatz lange Zeit als unumstößlich galt, obwohl unzählige Bildquellen eine ganz andere Sprache sprechen, und selbst dann noch nachwirkte, als Ausgrabungen längst Befestigungsanlagen zutage förderten, die nicht mehr allein mit reinen Verteidigungsanstrengungen erklärt werden konnten.
    Insgesamt steht hinter dieser Vielfalt von Fehleinschätzungen der Maya-Kultur, denen noch weitere hinzuzufügen wären, der Anspruch, dieses mittelamerikanische Volk als einzigartig und eben ganz anders als alle anderen in der Menschheitsgeschichte zu identifizieren. Von dieser Vorstellung hat sich auch die Maya-Forschung nur ungern und mühevoll verabschiedet. Und eben diese Motivation steckt auch hinter den meisten der zahlreichen haltlosen Theorien, die ihren Kalender und ihre Zeitrechnung betreffen. Denn bei der Geschichte der Maya im Allgemeinen wie auch bei ihrer Kalendergeschichte im Besonderen bietet die Forschungslage für gewagte Theorien längst keine Grundlage mehr. Wie im Falle des Kalenders, der sich bei näherem Hinsehen als Spielart der Gesamt-Kalender-Geschichte entpuppt, überlagerte bei den Maya insgesamt das Exotische, Andere, vordergründig Unbegreifliche – mit einem Wort: das Rätsel – alles das, was sie in den faszinierenden Reigen früher Hochkulturen einfügt. Die Maya waren als eine der frühen Kulturen zweifellos besonders – ein Sonderfall in jeder Hinsicht aber waren sie gleichwohl nicht. Auch wenn wir inzwischen nachvollzogen haben, dass die Kalender-Geschichte der Maya viele Eigenschaften
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