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Der Mann der nicht zu hängen war

Der Mann der nicht zu hängen war

Titel: Der Mann der nicht zu hängen war
Autoren: Pierre Bellemare
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Autorität, Berechnung und Genauigkeit. Daran gewöhnt, seine Geschäfte im Schnellverfahren zu erledigen, schätzt der Milliardär den jungen Architekten ab:
    »Sie sind Architekt?«
    »Ja, Mister Hearst.«
    »Sie kennen sich mit alten Bauwerken gut aus?«
    »Ja, Mister Hearst.«
    »Auch mit Klöstern?«
    »Na ja..., das heißt... ja. Natürlich habe ich mich auch mit Klöstern beschäftigt.«
    »Also gut. Ich habe mir ein Kloster gekauft —in Spanien. Weiß zwar nicht genau, aus welchem Jahrhundert es stammt — ist auch egal, auf alle Fälle ist es sehr alt. Ein komplettes Kloster mit Kreuzgang und Kapelle, mit Statuen und allem, was halt so dazu gehört. Und jetzt will ich es hier haben, hier in Kalifornien. Klar? — Sie fahren also nach Spanien und bringen es mir hierher. O. K.?«
    »Habe ich Sie richtig verstanden? Ich soll ein ganzes Kloster in seine Bestandteile zerlegen, es verladen und hier wieder aufbauen?«
    »Richtig. Und wenn Sie damit fertig sind, müssen natürlich Strom, fließend Wasser, Kanalisation usw. installiert werden. Wissen Sie, ich will ein Gästehaus draus machen.«
    Larry Stevel versucht, etwas zu sagen: »Aber...«
    »Kein Aber. Nennen Sie mir Ihren Preis. Ich zahle, was Sie verlangen. Also, was ist?«
    Larry Stevel ist ein junger Architekt. Er braucht Aufträge. »Na ja... also... ich meine... na gut! O. K., ich mach’s. Wo steht dieses Kloster überhaupt?«
    »Das weiß ich nicht so genau. Aber für alle Details ist mein Assistent zuständig.«
     
    Als Larry Stevel in Spanien ankommt, in dieser wilden und öden Landschaft der Provinz von Segovia, packt ihn ein Gefühl der Bewunderung und des Mitleids zugleich. Das Kloster ist phantastisch — zwar eigentlich schon fast eine Ruine, aber trotzdem wunderschön in dieser kargen Landschaft. Es gehört einfach hierher. Niemand kann ernsthaft daran denken, es aus dieser Umgebung zu reißen, es abzubauen und irgendwo anders wieder aufzubauen. Es wäre ein Verbrechen. Jahrhunderte Geschichte leben in diesem Kloster.
    König Alfonso VII. hat es anno 1141 für die Benediktiner errichten lassen, sozusagen als Ausdruck seines Dankes, hatte ihm der Gott der Christen doch geholfen, die »heidnischen« Mauren aus dem Land zu vertreiben. Und die maurischen Gefangenen durften die Steine für den Bau des christlichen Zufluchtsortes schleppen. Die Baupläne stammen übrigens von einem französischen Benediktiner, der extra nach Spanien berufen wurde. Eine einfache und strenge Architektur, romanisch mit gotischen Ansätzen — ohne Spur von andalusischen Einflüssen. Ein Juwel! Welcher hirnverbrannte spanische Banause kann damit einverstanden gewesen sein, einem hirnverbrannten amerikanischen Banausen dieses Juwel zu verkaufen?
    Nun, der Hirnverbrannte aus Spanien ist ein Bauer der Gegend. Sein Urgroßvater hatte 1825, zu der Zeit, als die damalige Regierung die Mönche vertrieb, das Kloster für ein Butterbrot erstanden. Seitdem verfällt das Gebäude. Heute wandeln die Kühe im Kreuzgang und grasen im Innenhof. In den Mönchszellen stapelt sich das Heu, und in der Kapelle stehen landwirtschaftliche Geräte herum. Das Hauptgebäude hat der Bauer mit Brettern zugenagelt, besonders da, wo die Wände bereits auseinanderklaffen.
    Der Mann ist untersetzt, die Hose viel zu groß, die Mütze viel zu klein. Seine Augen aber glänzen wie zwei runde Peseten.
    Jetzt ist auch Larry Stevel langsam davon überzeugt, daß das Kloster in Kalifornien ein besseres Leben haben wird. Und bald beginnt er mit der Arbeit: Zuerst macht er Photographien, zeichnet Pläne und teilt das Kloster in 120 »Abbau-Elemente« ein. Dann läßt er die abgebauten Steine einzeln numerieren: 35 874 werden es am Schluß. Mit Hilfe der Photos, der Skizzen, der Listen, der Nummern usw. müßte Larry später schon zurechtkommen — allerdings nur unter der Bedingung, daß die Steine auch in der richtigen Reihenfolge eingepackt werden, und zwar in Kisten, die ebenfalls kodifiziert und numeriert werden müssen.
    Nach einem Jahr schließlich steht Larry vor 10 751 Kisten. Mit Recht ist er der Meinung, daß er eine Arbeit geschafft hat, die eines echten Benediktiners würdig wäre.
    Doch all das ist noch gar nichts. Die wirklichen Probleme fangen erst an. Zuerst einmal müssen die 10 751 Kisten zum Hafen von Santander gebracht werden, das immerhin zweihundert Kilometer entfernt liegt. Es fehlen jedoch sechzig Kilometer Straße. Also ruft Larry den »Boss« an. W. B. Hearst hat aber seit langem
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