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Der Mann der nicht zu hängen war

Der Mann der nicht zu hängen war

Titel: Der Mann der nicht zu hängen war
Autoren: Pierre Bellemare
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Vorwort
    E s war einmal... Die Lust der Menschen am Geschichtenerzählen und — hören ist wohl so alt wie der Mensch selbst. Vor Jahrhunderten — als die meisten Menschen weder lesen noch schreiben konnten, als es noch keine gedruckten Bücher gab, da wurden Geschichten erzählt. Die fahrenden Sänger, die im Mittelalter von Burg zu Burg zogen, erzählten bei höfischen Festen von neuen Mären und ritterlichen Heldentaten, und die jungen Burschen suchten in den Spinnstuben die Dorfmädchen mit betörenden Geschichten für sich zu gewinnen. Später gab es die Moritaten-Sänger, die bis zum Anfang unseres Jahrhunderts auf den Jahrmärkten ihre meist schauerlichen Geschichten zum Ergötzen der Leute zum besten gaben, und auch die Generationen von Großmüttern, die zu allen Zeiten und überall auf der Welt Sagen und Geschichten erzählt haben, dürfen hier nicht vergessen werden.
    Nun, heute sind die erzählenden Großmütter rar geworden. Ton- und Videokassetten verdrängen sie immer mehr. Unsere Medienwelt liefert uns durch Funk und Fernsehen Geschichten aller Art frei Haus — meistens zwar spannend, aber eben erfunden. Dabei schreibt das alltägliche Leben die besten Geschichten überhaupt. Man muß sie nur finden.
    Mitte der siebziger Jahre kam Pierre Bellemare auf die Idee, sich auf die Suche nach solchen wahren, aber ungewöhnlichen, ja unglaublichen Geschichten zu machen (lediglich Namen und Ortsangaben wurden in einigen Fällen geändert). Zusammen mit einem festen Team von Autoren und Dokumentären wühlte er nun in den Polizeiakten und Zeitungsarchiven aller großen Städte der Welt — und was er dabei herausfand, war oft so außergewöhnlich, so spannend, manchmal so skurril oder auch grausam, daß er sich entschloß, diese unglaublichen, aber wahren Geschichten jeden Tag im Rundfunk zu erzählen. Der Erfolg ist überwältigend. Pierre Bellemare veröffentlichte in den letzten zehn Jahren 28 Bücher mit »Unglaublichen Geschichten«. Etwa acht Millionen Exemplare davon wurden allein in den französisch sprechenden Ländern verkauft. Auch dieser Erfolg ist eine »unglaubliche Geschichte«. Pierre Bellemare erklärt ihn so:
    »Heutzutage haben die meisten Menschen kaum noch Zeit zu lesen — oder sie nehmen sich diese Zeit einfach nicht mehr. Sie sehen lieber fern. Aber morgens im Bus oder in der U-Bahn und abends vor dem Einschlafen, da lesen sie gerne ein paar Minuten lang. Eine >unglaubliche Geschichte< auf dem Weg zur Arbeit — und der Tag beginnt ganz anders!«
     

Ja Madame — das war sie
     
    A us der trostlosen Menge, die sich stumm durch das Dorf schleppt. hört man plötzlich einen Schrei. Die staubigen Wagen, die überladenen Fuhrwerke, die knarrenden Karren, die unter platzenden Koffern ächzenden Fahrräder — alles hält an. Nicht lange. Gerade lange genug, daß sich eine kleine Gruppe verstörter Menschen aus der Flüchtlingskolonne lösen kann. Sie tragen ein junges Mädchen.
    War es eine Granate? War es eine Bombe? Woher kam das mörderische Geschoß? Man wird es niemals erfahren. Wozu auch. Was zählt, ist dieses Mädchen, das in seinem Blut am Straßenrand liegt. Über sie gebeugt — eine Familie, von allen verlassen. Denn die anderen ziehen weiter.
    »Die Deutschen werden gleich da sein!«
    »Bringen Sie sie doch in die Kirche!« schlägt eine alte Frau vor, die gerade vorbeikommt.
    Und schon taucht oben auf dem Hügel ein großes olivgrünes Ungeheuer auf Geduckt, kriechend, furchterregend dreht der Panzer seinen Turm mit der drohenden Kanone nach rechts — nach links —, als betrachtete er zufrieden die Lage. Er hat gewonnen: Unten im Tal rennen die Menschen kopflos davon, rennen um ihr Leben. Überall entlang der französisch-belgischen Grenze ist es derselbe Sieg, derselbe Triumph, dieselbe Freude für die grünliche Monstren.
    Blond, blaue Augen, im Nacken sauber rasiert, dünn und sehr blaß unter dem Stahlhelm; das ist Soldat Hermann Ropp. Er ist glücklich, dabei sein zu dürfen. Gestern noch hat er seiner Mutter geschrieben: »Liebe Mutter. Du kannst stolz sein. Morgen geht es an die Front mit der Panzerdivision. Endlich bekomme ich die Feuertaufe... «
    Mitten im wüsten Getöse geht Hermann Ropp — neunzehn Jahre alt und voller Enthusiasmus — hinunter zu dem kleinen Dorf, wo ihn in einer bescheidenen Kirche so etwas wie das Schicksal erwartet — nicht unbedingt der Ruhm. Es ist Juni 1940. Nordfrankreich, in der Nähe von Béthune.
    Die deutschen Panzer haben vor
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