Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mörder und Marder

Mörder und Marder

Titel: Mörder und Marder
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
Aus: Jakob Grunewald
, Willkürliche Biogramme, 3
1997
*
    » …
wurde Baltasar Matzbach als ›Universaldilettant‹ bezeichnet, der sich in die Gefilde der Kriminalistik verirrt habe. Das Etikett … beklebt einen, der von vielen Dingen zu viel weiß, um sie ernst zu nehmen, zu wenig, um von ihnen ernstgenommen zu werden, und genug, um Experten zu bluffen und Laien zu amüsieren. … Ein Bekannter mutmaßte auch, B. M. leide (?) an Elephantiasis der Seele. Interessanter sind jedoch andere Aspekte, so z. B. Matzbachs verwegene Verfressenheit; wie zu Zeus Sein Donner und zu Jehovah Sein Zorn gehört zu Baltasar Sein Wanst. Immerhin kann er es sich seit vielen Jahren leisten, Hecht zu essen und zum folgenden Fleischgang einen Grand Cru zu trinken. Er wuchs nach dem Verscheiden seiner Eltern bei Verwandten auf und studierte später Philosophie und Atomphysik. Dabei erfand er etwas für ein Betatron, so kompliziert, daß er es selbst schon längst nicht mehr erklären kann, aber das Patent wird international verwendet und wirft einiges ab; anschließend wandte Matzbach sich der Musik zu und komponierte ein bißchen, darunter einen vollendet schwachsinnigen Schlager, der noch immer läuft und zwei- bis dreimal pro Jahr neu aufgenommen wird, und so schickt die GEMA ihm bisweilen einen freundlichen Scheck. Ein Hauptgewinn im Lotto sorgte 1962 dafür, daß Baltasar aus dem Gröbsten heraus war. Er investierte klug und ergab sich der sinnlosen Bildung, wobei er von den exakten zu den diffusen Gebieten überging; so stammt aus seiner Feder ein in Fachkreisen geschätztes Werk über
Monotheistische Strömungen des inselkeltischen Druidentums. *
Einige Jahre hielt er sich an der bretonischen Nordküste auf, bevor die touristische Völkerwanderung sie verwüstete, und weilte dort als Mäzen und Manager junger Künstler, Veruntreuer von frühen Touristinnen und Privatdozent gegen Okkultismus. Dabei verfaßte er zwei weitere Standardwerke:
Schamanistische Einflüsse in die Analekten des Konfuzius *
und
Sexualpathologische Aspekte der Psychokinese. *
Und tat zahllose weitere unsinnige Dinge, die ausnahmslos zu Gold wurden (er habe, behauptet er, in dieser Beziehung etwas durchaus Eselhaftes an sich). Jahrelang verdiente er sich ein regelmäßiges Zubrot mit seinem Kummerkasten
Fragen Sie Frau Griseldis
; außerdem droht irgendwann die Veröffentlichung seines geheimen Hauptwerks
Der Leichnam in der Weltliteratur.
(Die Mutmaßung, seine detektivischen Aktivitäten seien nur ein Vorwand dafür oder umgekehrt, ist nicht von der Hand zu weisen.)
…«
    * Alle Titel erschienen im Verlag für Enzyklopädische Geisteswissenschaften (Edinburgh – Simla – Wachtendonk – Córdoba – Beaune)
.

ERSTER TEIL
    Es gibt einen Grund dafür, Käsekrusten in einem Pizzaofen anzuheizen.«
    Matzbach sagte es ohne Betonung; wie man Feststellungen über die jedem ersichtliche Qualität des Wetters macht. Es war ein trüber Tag, nicht ungewöhnlich für Bonn im Frühling, Sommer, Herbst oder Winter; die Jahreszeit war unentschlossen. Anfang März, laut Kalender und Zeitung, aber für Winter zu mild (»dätschig«), für Frühling zu klamm (»uselig«). Baltasar trug sich entsprechend; eine undefinierbare Hose lugte aus dem Trenchcoat, der mit Matzbach etliche Nächte in einem Schützengraben zugebracht haben mochte, und der Stetson hockte auf Baltasars Kopf wie eine Meise auf einem Kürbis.
    Henry Hoff zwinkerte. Er kannte derlei Begrüßungen. »Das mag sein. Obwohl du auch ›Guten Tag‹ sagen könntest oder ›Wie geht es dir?‹ oder so was.«
    Matzbach blies Luft durch seine wulstigen Lippen; es klang wie ein schlapper Helikopter. »Nein. Ich weiß, wie es mir geht, und dieser Tag ist nicht gut.« Dann überflog er Hoffs Äußeres, den kühn vom Halse tropfenden schwarzen Schal, die Wildlederjacke, die hellbeige Breitkordhose und blickte in die Augen, deren Linsen kontaktfreudig glommen. »Du hast offenbar Geld gefunden und dich neu eingekleidet. War das nötig?«
    Hoff machte eine großartige Geste, die an der Treppe des Alten Rathauses begann und, nach einem Halbkreis über Kopf, bei den Gemüseständen des Wochenmarktes endete. Dazu benötigte er beide Arme. Er öffnete den Mund.
    »Übst du Fliegen?« erkundigte Baltasar sich blitzschnell.
    »Das wäre eine Möglichkeit, dir zu entgehen. Was ich sagen wollte ist: Alles ist nötig. Der Markt und die Welt und meine neue Hose. Nur für dich sehe ich keine Notwendigkeit.«
    Matzbach
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher