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Der Mann der nicht zu hängen war

Der Mann der nicht zu hängen war

Titel: Der Mann der nicht zu hängen war
Autoren: Pierre Bellemare
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schon Wichtigeres im Kopf als sein spanisches Kloster. Der Assistent meldet sich: »Sie sollen halt eine Straße bauen lassen, sagt der Boss. Und übrigens, Sie sollten ihn in Zukunft mit solchen Bagatellen nicht mehr belästigen!«
    Der »Boss« zahlt, also läßt man die Straße bauen. Als die ersten Bäume gefällt werden, erscheint plötzlich der spanische Bauer auf seinem Esel. Er ist ganz aufgeregt: »Ich hab’s mir anders überlegt. Das Kloster können Sie behalten, aber auf keinen Fall die Kapelle. Meine Frau will sie unbedingt zurückhaben!«
    »Sie haben uns aber alles komplett verkauft und auch schon das Geld dafür bekommen!«
    »Ich weiß, aber ich muß die Kapelle trotzdem wiederhaben. Es ist nicht nur wegen meiner Frau, wissen Sie, auch unser Pfarrer ist böse. Eine Kapelle darf man nicht verkaufen!«
    Larry versteht ihn irgendwie, denkt kurz nach und meldet halt erneut ein Gespräch nach Amerika an. Eine Kapelle ist wirklich keine Bagatelle. William Randolph Hearst schreit durch die Leitung: »Von mir aus! Dann sollen sie eben ihre verdammte Kapelle behalten!«
    Gut. Jetzt wäre also alles klar. Das Kloster ist abgebaut. Die 35 874 Steine sauber mit Stroh in 10 751 Kisten eingepackt, die sechzig Kilometer Straße sind fertig, die ganze Ladung kommt heil in Santander an und liegt nun auf einem halben Hektar des Hafengeländes. Man wartet nur noch auf den Frachter, der das versandfertige Kloster über den Atlantik bringen soll. Da kommt der spanische Bauer noch einmal. Diesmal ist er die zweihundert Kilometer bis Santander mit dem Postbus gefahren. Es muß also wichtig sein. Larry verspürt zum ersten Mal unverkennbare Anzeichen eines bevorstehenden Tobsuchtsanfalls:
    »Nein, nein und nochmals nein! Jetzt reicht’s! Jetzt wollen Sie auf einmal alles wieder zurück. Und nur weil ihre Felder zu nackt aussehen ohne das Kloster! Ich glaube, ich werd’ verrückt! Lieber Mann, Sie sind doch nicht bei Trost... Und außerdem, ich sag's Ihnen noch einmal klar und deutlich: Der Kaufvertrag ist gültig, und Sie haben das Geld schon lange kassiert. Basta.«
    »Das Geld? Hier haben Sie es zurück! Ich will es nicht mehr!«
    »Ich auch nicht! Schließlich bin ich ja nicht der Käufer. Sie hätten sich alles vorher überlegen müssen. Wofür halten Sie die Amerikaner überhaupt? Für totale Idioten? Was verkauft ist, ist verkauft, was abgebaut ist, bleibt abgebaut, und was eingeschifft werden soll, das wird auch eingeschifft...«
    »Wie Sie meinen.«
    Der spanische Bauer gibt sich relativ gelassen, doch Larry traut dem Frieden nicht so ganz. Ihn stört das verborgene, bauernschlaue Grinsen in dem sonnenverbrannten Gesicht. Und es dauert nicht einmal eine Viertelstunde, bis sich sein ungutes Gefühl bestätigt. Zwei Beamte mit den platten Lederhelmen der Guardia Civil marschieren auf ihn zu: »Die Kisten dürfen nicht eingeschifft werden. Warten Sie bis der Chef kommt.«
    Und die bürokratische Prozedur beginnt: vom Chef zur Gemeinde, zum Bürgermeister und vor den Gemeinderat, von der Gemeinde zur Provinzregierung, von der Provinzregierung zur Landesregierung, von der Landesregierung schließlich zum Gericht. Es dauert ein ganzes Jahr! Ein Jahr lang haust Larry in einem billigen Hotel vor dem Hafengelände und bewacht seine Kisten. Die Guardia Civil bewacht sie auch. Endlich entscheidet das Gericht: Der Verkauf des Klosters ist legal abgewickelt worden, die Kisten dürfen eingeschifft werden und Spanien verlassen.
    Am 18. Januar 1926, zweieinhalb Jahre nach dem ersten Besuch beim »Boss«, kommt der Frachter endlich in New York an. Zwei Jahre und sechs Monate — ein zweifelhafter Spaß, der noch lange nicht zu Ende ist. Larry wird vom amerikanischen Zoll empfangen: »Ein Kloster! Mhm, mhm. Sie importieren also ein Kloster. O.K. Und das soll ich Ihnen glauben? Kommen Sie doch bitte mal mit zum Chef.«
    Jeder normale Mensch hätte spätestens in diesem Augenblick durchgedreht. Nicht so Larry Stevel. Aus welchem Grund auch immer, er hat das verteufelte Kloster lieb gewonnen. Mehr noch, es ist sein Kind geworden. Und daher schafft er es auch, sein arg strapaziertes Nervensystem nochmals zur Ruhe zu zwingen. Mit versteinertem Gesichtsausdruck steht er dem Chef des amerikanischen Zolls Rede und Antwort: »Jawohl, ein Kloster.«
    »Und William Randolph Hearst will daraus ein Gästehaus machen?«
    »Ja.«
    »Meinetwegen. Aber ein altes Kloster hat einen gewissen Wert und muß daher verzollt werden. Schließlich handelt es
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