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Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen: Roman (German Edition)
Autoren: Anke Greifeneder
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So viel steht fest: Ich werde nie eine dieser Frauen sein, die bei Robbie-Williams-Konzerten im knappen Shirt auf den Schultern eines coolen Kerls zu Angels mitsingt, Robbies Blick auf sich zieht, um dann vor Millionen gesagt zu bekommen, dass sie echt sexy ist!
    Es liegt nicht daran, dass ich unterlegen oder gar hässlich wäre. Höchstens langsam zu alt mit Anfang dreißig.
    Der Grund ist auch nicht der, dass ich wie viele meiner Freundinnen auf Männer stehe, die nie in ein Robbie-Konzert gehen würden, weil sie befürchten, in der unbedeutenden Masse unterzugehen und die ihnen ansonsten uneingeschränkt zuteil werdende Aufmerksamkeit abgeben zu müssen – kurzum: Ich stehe nicht auf emotional behinderte Egoisten. Die Sorte Männer, bei der man sich so richtig anstrengen muss, um ein winziges Lächeln oder etwas Zuneigung zu bekommen. Robbie ist anscheinend auch so einer, wenn man seinen Songtexten Glauben schenken darf: »Well, I am easily bored, is that o.k.?«
    Nein, der Grund, weshalb ich wohl nie sein Konzert von einem Schulterplatz aus sehen werde, ist weitaus profaner: Jedes Mal, wenn Robbie auf Tour kommt, ist bei mir gerade eine Beziehung in die Brüche gegangen. Keine Schulter zum Anlehnen mehr, keine Schulter zum Aufsteigen! Was will mir das Universum damit bitte sagen? Ist es ein Zeichen, dass ich die auserwählte Mrs. Williams in spe bin, vorausgesetzt, Robbie ist tatsächlich hetero?
    Ist es eine kleine, gemeine Laune des Schicksals, um mich zu ärgern? Oder heißt das einfach: Du hast noch nicht den Richtigen gefunden? Erst mit dem Richtigen darfst du zu Angels mit Feuerzeug im Anschlag und völlig high mitsingen?
    »Hey, du hast lange genug Pause gemacht, Gretchen. Mach endlich den Fernseher aus und hilf mit! Das Gejohle dieses untersetzten, völlig überschätzten Popjunkies halte ich nicht aus! Unten stehen deine Möbel und jede Menge Umzugskisten!«
    Mein Bruder, durchgeschwitzt und leicht entnervt, zog mich vom Sofa hoch, das noch in Plastikhüllen eingewickelt war. Wenn man sich überlegt, dass manche Leute ein Leben lang auf diesen Plastikschutzhüllen sitzen!
    Ich hatte vergessen, wie anstrengend Umziehen ist. Vor allem, wenn die neue Wohnung im dritten Stock eines Altbaus ohne Aufzug lag.
    Widerwillig und mit schmerzenden Beinen ging ich die Treppen zum siebzehnten Mal runter und wieder hinauf, siebenundvierzig Stufen insgesamt, einen Karton und eine Lampe unterm Arm.
    Als ich schnaufend auf der zweiten Etage einen Stopp einlegte, öffnete sich eine Wohnungstür, und eine freundliche Stimme fragte: »Ziehst du gerade über mir ein? Brauchst du Hilfe? Ich bin übrigens Leila.«
    Leila war groß, mit langen dunklen Haaren, ein exotisch brasilianisch angehauchter Typ, auffallend hübsch und würde gleich von meinem Bruder an Ort und Stelle vernascht werden, wenn sie sich nicht in ihre Wohnung rettete. Bevor ich den Gedanken zu Ende gedacht hatte, zwängte sich ein circa sechsjähriges Mädchen, das Leila wie aus dem Gesicht geschnitten war, zwischen ihren Beinen hindurch, sah mich an, lachte und lief zurück in die Wohnung.
    »Das war Mimi, meine Tochter. Also wie gesagt, wenn du Hilfe brauchst, vielleicht Lampen anbringen oder Vorhangstangen andübeln, sag Bescheid. Hab ich alles gelernt, seit Mimis Vater und ich uns getrennt haben!« Leila zwinkerte mir zu.
    Ich fand sie auf Anhieb sympathisch.
    »Danke für das Angebot, aber meine Familie hilft mir. Du kannst gerne später hochkommen und auf den Einzug mit anstoßen. Ich heiße Gretchen.«
    Leila sah mich an, wie es fast jeder tat, der meinen Namen zum ersten Mal hörte. Eine Mischung aus Belustigung und Mitleid lag in ihrem Blick.
    Meine Eltern, kulturell interessierte Menschen, hatten mir diesen Namen als Vermächtnis mitgegeben, und ja, ich hatte nicht erst einmal den lustigen Kommentar »Mein schönes Fräulein, darf ich wagen, meinen Arm und Geleit ihr anzutragen?« in meinem Leben gehört, und ja, ich hatte schon unzählige Male geantwortet: »Bin weder Fräulein, weder schön, kann ungeleit nach Hause gehn!«, was erstunken und erlogen war, denn erstens war ich hübsch, und zweitens nahm ich, bequem, wie ich es mochte, immer die Gelegenheit wahr und ließ mich lieber nach Hause kutschieren als zu laufen.
    Fairerweise muss ich sagen, dass es mich noch schlimmer hätte treffen können. Meinen Eltern als vorbildlichen Achtundsechzigern hätte ich einen blumigeren Namen wie Sunflower, Ocean oder Gänseblümchen zugetraut, einen Namen
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