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Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
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Fisch seiner Träume beschreibt. Ich blickte zu Audrey und Rob und sah, dass sie mit Ernie grinsten, während sie sich anschauten, wie er seine Geschichte erzählte. Wir alle ahnten, was jetzt kam. Ernie spannte uns nicht lange auf die Folter. Er erzählte, wie er den Wagen ein paar Minuten lang schob, bis der Wald dichter wurde; dann schnappte er sich das Brot, sprang zwischen die Bäume und rannte los, ehe die Bauersfrau begriff, wie ihr geschah.
    Er hörte, wie sie rief: »Ein Dieb! Haltet den Dieb!«, aber niemand war bereit, ihn wegen eines Brotlaibes durch die Wälder zu verfolgen. Als er sich halbwegs sicher fühlte, setzte er sich und aß das ganze Brot auf einmal.
    Es schien, als käme Ernie mit seiner fesselnden Geschichte nun zu einem Ende. Er lächelte viel mehr und hatte den Kopf zur Seite geneigt, während er sich mit einiger Erleichterung an die letzten Kriegstage erinnerte. Auf seinem Weg, erzählte er, begegnete er Peter, einem Mann, den er aus den Lagern kannte und der ebenfalls entkommen war. Auch Peter hatte sich Zivilkleidung beschafft und benutzte die gleiche Landstraße wie Ernie.
    Ernie trug noch immer die Mütze des toten Italieners. Er wusste, dass es um ihn geschehen war, wenn jemand sie ihm abnahm, denn sein kahl geschorener Kopf hätte ihn sofort als KZ -Häftling verraten. Peter und er hatten beschlossen, nach Westen zu gehen, den Amerikanern entgegen, aber weil die Sonne nie zu sehen war, wussten sie nicht genau, wohin sie marschieren mussten. Schließlich sagten sie sich, dass die Zivilisten wahrscheinlich in die richtige Richtung gingen, und so folgten sie dem Straßenverlauf in der Deckung des Waldes.
    »Halt!«, peitschte eine Stimme. Ernie und Peter blieben wie angewurzelt stehen. Der Befehl kam von einem deutschen Soldaten, der zwischen den Bäumen hervorgetreten war. Er wollte wissen, wer sie waren und wohin sie gingen. Dann erklärte er, sie könnten nicht mehr viel weiter, weil die Amerikaner kämen. Ernie und Peter wussten, dass sie ausgezehrt waren; sie trugen Lumpen, und ihre Köpfe waren kahl geschoren. Ihr einziger Vorteil bestand darin, dass sie beide fließend Deutsch sprachen.
    Sie erzählten dem Soldaten, sie seien zivile Arbeiter aus Nordhausen und hätten ihre Kleidung bei den Bombardierungen verloren. Sie hätten nichts mehr außer dem, was sie am Leib trugen. Man hätte sie losgeschickt, um in einer Stadt die Straße hinunter Wehrmachtsfahrzeuge zu reparieren. Nach Ernies eigenen Worten war das eine »hirnrissige Geschichte«. Ob der Soldat ihnen glaubte oder nicht – er sagte, er würde sie zu seinem Vorgesetzten bringen. Ihnen blieb keine andere Wahl, als mit ihm zu gehen. Unterwegs fragte der Soldat, ob sie schießen könnten. »Natürlich«, antwortete Ernie, der sich bestimmt voller Angst gefragt hat, wohin das alles führt.
    Er und Peter wussten, dass der Soldat ihnen nicht traute. Sie sprachen zwar Deutsch, waren aber so dünn und zerlumpt, dass sie nicht wie Deutsche aussahen. Als sie näher ans Lager kamen, sagte Ernie sich, dass sie den Soldaten töten mussten, um sich zu retten. Aber er konnte nicht mit Peter sprechen, denn der Soldat ging mit der Waffe in der Armbeuge hinter ihnen.
    Aus den Überlegungen wurde sowieso nichts. Wenigstens gehörte der Soldat der Wehrmacht an, nicht der SS . Doch ihr Spiel wäre aus, sobald man ihnen befahl, die Mützen abzunehmen.
    Sie erreichten einen Gefechtsstand, wo sie vor einen einarmigen Oberleutnant geführt wurden. Der Soldat wiederholte die Geschichte, die Ernie und Peter ihm erzählt hatten, doch der Offizier unterbrach ihn. »Zwei Männer mehr«, sagte er. »Das ist prima. Ich kann zwei zusätzliche Männer gut gebrauchen.« Er befahl dem Soldaten, Uniformen und Karabiner zu holen.
    Ernie dämmerte, dass er nach jahrelanger KZ -Haft das Kriegsende in einer deutschen Heeresuniform erleben sollte – mit dem Befehl, auf seine Befreier und Freunde zu schießen. Ehe die Uniformen und die Waffen kamen, fragte der Oberleutnant die beiden, ob sie schon etwas gegessen hätten. Als sie verneinten, schickte er sie Suppe fassen. Eine halbe Stunde später schlangen sie ihr Essen herunter und fragten sich, was als Nächstes geschehen würde, als ein Soldat herbeigerannt kam und rief: »Feindalarm! Feindalarm!« Die Amerikaner waren fast da.
    Chaos brach aus. Soldaten rannten in alle Richtungen und ließen Motorräder und Autos an, während die Einheit sich zur Flucht bereitmachte. Zehn Minuten später saßen Ernie und
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