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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf
Autoren: Brigitte Endres
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Auftritt der Geister ein krönendes Finale setzen sollte.
    Wie auf Kommando zerrten die Schatten den Leichnam plötzlich hoch und schwangen sich mit dem leblosen Körper in die Luft. Atemlos beobachteten Valentina und Phil, wie sodann ein grotesker Leichenzug auf den Festhügel zuschwebte. Obwohl ein gutes Stück entfernt, konnten sie deutlich sehen, wie sich die Spukgestalten über dem Höhepunkt der Flammen zusammenscharten. Dann ertönte ein Donnerschlag, der den Boden unter ihnen wanken ließ. Eine gewaltige Stichflamme schoss in den Nachthimmel. Schreie des Entsetzens gellten durch die Nacht. Reglos klebte ihr Blick an der Feuersäule, die blutrot in den Himmel schoss.
    „Wow!“ Phil brach das fassungslose Schweigen. „Sie haben ihn ins Feuer geworfen!“
    Valentina deutete stumm nach vorn. Aus den Funken, die in den Äther jagten, gestaltete sich ein Zeichen. – Das Zeichen! Dann geschah etwas, das sich nicht weniger ihrem Verstand entzog. Die schattenartigen Phantome wurden zusehends heller, bis sie sich in strahlende Lichtgestalten verwandelt hatten, die höher und höher stiegen und sich schließlich gleich einem tanzenden Sternschnuppenschwarm in der Weite des Himmels verloren.
    „Sie sind erlöst!“, murmelte Valentina. „Das Feuer hat seine böse Seele endgültig ausgelöscht.“
    Benommen sahen sie zum Festhügel hinüber. Der Aufruhr ebbte ab, die Flammen hatten sich beruhigt. Ein behaglich warmer Lichtnebel erleuchtete den Himmel. Es war vorbei.
    Unvermittelt drehte sich Valentina um und begann zu laufen.
    „DORIAN!“ Ihre Stimme barst aus ihrem übervollen Herzen, in dem Hoffnung und Bangigkeit miteinander fochten. „DORIAN!“
    Dann sah sie ihn. Er winkte ihr von den Stufen des Tempels aus zu. Doch er war nicht allein. Die schwarze Frau und der groß gewachsene Schatten seines Vaters standen bei ihm. Scheu mäßigte sie ihr Tempo, während sie fieberhaft zu erkennen versuchte, ob er wirklich so unverletzt war, wie seine ganze Haltung vermuten ließ.
    Schließlich blieb sie befangen stehen. Dorian reichte ihr die Hand. „Mein liebstes Valentinchen, seien Sie unbesorgt, ich bin wohlauf. In dieser wunderlichen Nacht ist alles möglich mit der Kraft der guten Geister, die mir dereinst das Leben schenkten.“ Er verneigte sich vor seinen Eltern und wies auf Valentina. „Seien Sie getrost, es wird mir an nichts mangeln“, sagte er mit vor Tränen schimmernden Augen. „Es ist uns nicht beschieden, mitsammen zu verweilen. So leben Sie denn wohl, geliebte Eltern, bis mich einst der Todesengel auf seinen sanften Schwingen zu Ihnen führen wird. Mein Leben ist jung und will noch etwas schaffen.“
    Valentina fühlte Blicke auf sich, Blicke, die sie bis in die letzte Kammer ihrer Seele durchschauten. Dann überwallte sie unversehens eine gewaltige Kraft. Die Liebe der Eltern, die sich mit der ihren verband.
    Stumm legte Dorians Vater die Rechte auf die Schulter des Sohns. Auch ohne Worte sagte diese Geste alles. Väterlicher Stolz und der übermächtige Schmerz des Abschieds lagen darin. Mit Tränen in den Augen sah Valentina, wie sehr Dorian um Fassung kämpfte. Schließlich wandte sich der blonde Junge seiner Mutter zu, die ihn ein letztes Mal in die substanzlosen Arme schloss.
    Phil, der die ganze Szene mit etwas Abstand beobachtet hatte, trat, Herrn Bozzi an seiner Seite, beklommen zurück, als die beiden Schatten nun Hand in Hand zur Mitte des Vorplatzes schritten. In aufrechter Haltung, innig einander zugewandt, entschwebten sie in den nächtlichen Äther. Und während die Zurückbleibenden ihnen bewegt hinterherblickten, wiederholte sich an ihnen die Verwandlung, die schon die anderen Geisterwesen durchgemacht hatten. Als strahlende Lichtgestalten stiegen sie in den Äther und wurden zu Sternschnuppen, die schließlich mit dem Licht des Mondes verschmolzen.
    Nachdem sie noch eine ganze Weile schweigend zum Himmel gespäht hatten, wischte sich Dorian über die Augen. Sodann verbeugte er sich tief.
    „Liebe, treue Gefährten, liebe Kinder des Glücks, ohne die der Kampf ein fatales Ende genommen hätte“, sagte er heiser. „Bis ans Ende meiner Tage werde ich Ihr allerschuldigster Diener sein!“
    Phil mühte sich, den aufsteigenden Tränen den Weg zu versperren. Er zog die Nase hoch und hüstelte. Was er jetzt am wenigsten brauchte, waren weitere Gefühlsäußerungen. Mit einem verunglückten Grinsen boxte er Dorian in die Seite. „Also, Kumpel, ab sofort wird aber normal
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