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Ball der einsamen Herzen - ROTE LATERNE - Band Nr. 2 (German Edition)

Ball der einsamen Herzen - ROTE LATERNE - Band Nr. 2 (German Edition)

Titel: Ball der einsamen Herzen - ROTE LATERNE - Band Nr. 2 (German Edition)
Autoren: Cora de Graaf
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  Schon eine ganze Weile läutete das weiße Tischtelefon. Emma Kubinke sah sich um. Einzelne Damen und Herren, meist im mittleren Alter, saßen an den Tischen im »Ballhaus«. Hier suchten sich die einsamen Herzen ihr Vergnügen. Auch Emma kam fast jeden Samstag in dieses Tanzlokal. Sie war heuer fünfzig geworden und hatte wenig Glück in ihrem Leben gehabt.
    Seufzend nahm Emma den Hörer von der Gabel.
    »Ja, Hallo?«, sagte sie.
    »Hallo, hier ist der Herr von Tisch zwölf«, meldete sich eine Männerstimme. Emma hob den Kopf. Die Tischlampen waren nummeriert. Tisch zwölf lag etwa zwanzig Meter schräg gegenüber. Emma Kubinke sah einen ziemlich dünnen Mann, der etwa in ihrem Alter war. Er hatte bereits schütteres Haar und trug eine weiße Nelke im Knopfloch seines dunklen Jacketts.
    »Sie wünschen?«, fragte Emma ein wenig förmlich und setzte ein charmantes Lächeln auf, weil er sie ja sehen konnte.
    »Gnädige Frau, darf ich Sie zu einem Gläschen Champagner einladen?«, fragte er höflich.
    »Das wäre nicht schlecht«, sagte Emma. Die letzten Jahre hatte sie mit Kloputzen und Töpfeschrubben zugebracht, und über die Zeit davor schwieg sie sich aus. Eine richtige feine Sprache war ihr eigentlich fremd.
    »Kommen Sie doch an meinen Tisch, gnädige Frau!«, sagte der Mann mit der weißen Nelke.
    »Nee!«, lehnte Emma ab. »Wie sieht denn das aus? Das sieht nicht gut aus, mein Herr! Wenn schon, dann kommen Sie doch rüber. Sie haben es genau so weit wie ich!«
    »Aber gerne!«, versicherte er. »Herzlich gerne sogar, bis gleich, gnädige Frau!«
    Diese Anrede ehrte Emma einerseits. Doch irgendwie fühlte sie sich genervt, denn zu ihr hatte noch nie jemand »gnädige Frau« gesagt. Sie betupfte mit den Fingerspitzen ihre mahagonirote Frisur. Es handelte sich dabei um eine Perücke, denn ihr eigenes Haar war schon etwas dünn und daher sehr schwer in Form zu bringen. Emma war stark geschminkt. Dabei übertrieb sie immer ein bisschen, weil sie das einfach schick fand.
    »Guten Abend, gnädige Frau. Darf ich mich vorstellen? Karl Pützkes ist mein Name!« Er machte eine leichte Verbeugung. Sein Anzug saß tadellos. Doch irgendwie fand Emma sein ganzes Aussehen etwas »geckig«, wie sie das zu bezeichnen pflegte.
    »Ich bin Emma Kubinke«, sagte sie.
    »Ein Berliner Name, nicht wahr?«, hakte er ein und rückte sich einen Stuhl zurecht.
    »Ja, ich bin in Berlin geboren«, erklärte sie, und in ihren blaugrauen Augen schimmerte ein wenig Stolz. »Aber ich lebe seit Kriegsende schon im Rheinischen.«
    »Interessant«, sagte er. Sein Gesicht war sorgsam rasiert, wie sie bemerkte. Doch das Hohlwangige daran gefiel ihr nicht besonders. Er gefiel ihr überhaupt nicht und war alles andere als der Mann ihrer Träume. Aber nun war er eben da, und dieser Abend würde auch vorrübergehen ... » Sie sind mir schon einige Male angenehm aufgefallen, gnädige Frau ...«
    »Sagen Sie doch bitte einfach Emma zu mir. Ich bin das Vornehme nicht gewohnt«, bat sie ihn.
    »Ach?« Er zog die dünnen Brauen ein wenig hoch und lächelte dann. »Sie sind so reizend spontan, Emma!« bemerkte er schließlich. »Ich mag spontane Frauen. Sie sind meistens praktisch veranlagt.«
    In diesem Punkt hatte er recht, denn praktisch war Emma wirklich. Egal, ob es darum ging aus wenigen Zutaten eine gute Mahlzeit auf den Tisch zu bringen, oder ob es sich um ein Kleid handelte, gefertigt aus erbärmlichen Stoffresten. Auch was die Sprache betraf, war Emma sehr praktisch. Sie sagte meist alles direkt. Das ging natürlich nicht immer ohne Anecken ab. Aber sie machte sich wenig daraus. Ihr Leben lang hatte sie sich behaupten und durchsetzen müssen.
    Pützkes bestellte beim Ober Champagner. Als die Flasche im Kübel gebracht wurde, hob Emma sie ein wenig hoch.
    »Mensch! Das ist ja richtig echter Champagner!« staunte sie. »Es ist lange her, dass ich welchen getrunken habe. Früher gab es ihn zum Frühstück mit den schwarzen Fischeiern ...«
    »Sie meinen Kaviar?«
    »Ja, ja, so heißt das wohl. Kostet ja ein Sündengeld, und ich esse mich davon nicht satt. Ein Schmalzbrot ist mir lieber!«
    »Wie genügsam Sie sind!«
    »Ich esse und trinke, was mir schmeckt«, sagte sie.
    »Na, hoffentlich schmeckt Ihnen der Champagner. Also, auf Ihr Wohl - Emma!«
    »Auf Ihr Wohl«, sagte sie und hob das Glas. So höflich wie er war schon lange kein Mann mehr zu ihr gewesen. Sie erinnerte sich an den Küchenchef im Hotel Bristol, ihrer derzeitigen Arbeitsstelle.
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