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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf
Autoren: Brigitte Endres
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Kongress muss ich sehen, ob sich nicht ein Doktorand finden lässt, der sich da mal durchwühlt. – Ich werd es gleich auf die Seite legen.“
    „Amalia von Treuenstein?“, erkundigte sich Phil. Das Musikgymnasium, das er und seine Schwester besuchten, trug diesen Namen.
    Sein Vater schüttelte den Kopf. „Ihre Mutter, Margareta Luisa von Treuenstein.“
    „Eigenartiges Symbol“, sagte Phil, „eine Lilie, die von zwei Halbmonden eingefasst ist, – das Familienwappen der Treuensteins ist es jedenfalls nicht, das sieht anders aus.“
    „Richtig“, sagte Dr. Holm. „Die Mondlilie ist das Zeichen des Collegium Dianae.“
    Phil sah ihn fragend an.
    „Ein Geheimbund.“
    „Wie die Freimaurer oder die Rosenkreuzer?“
    „Etwas Ähnliches, damals wuchsen Geheimbünde wie Pilze aus dem Boden, die meisten waren Männern vorbehalten. Ins Collegium Dianae wurden allerdings nur Frauen aufgenommen.“ Er sah auf die Uhr und stöhnte. „Mann, schon so spät! Ich muss noch packen. Nimm deinen Kram und ab durch die Mitte!“ Damit ging er zu seinem Schreibtisch und stockte mit dem unerhofften Fund einen Bücherstapel auf, der ebenfalls noch auf Sichtung wartete.
    Phil schlängelte sich in die Träger seines Rucksacks.
    „Schön' Abend noch!“, sagte er in Richtung des Bibliothekstischs.
    „Dir auch.“ Klaus Arnold, ein Mann mit hohen Geheimratsecken und einer dicken Brille, hob die fleischige Hand.
    Dr. Holm griff nach seiner Aktentasche. „Wir sehen uns am Sechsundzwanzigsten wieder. Ich denke, es ist alles klar. Notfalls …“
    „Machen Sie sich keine Sorgen, Chef“, unterbrach ihn Arnold. „Ich halte die Stellung.“
    „Danke Arnold, ich weiß, ich kann mich auf Sie verlassen.“
    „Der Arnold ist ein echtes Fossil“, sagte Dr. Holm zu seinem Sohn, als sie schon über den Flur gingen. „Wo findet man heute noch einen Mitarbeiter, der praktisch ohne Privatleben auskommt. Sogar an den Wochenenden ist er hier.“
    „Er wohnt halt immer noch bei seiner alten Mutter“, sagte Phil. „Seine Klamotten riechen immer so säuerlich. Wahrscheinlich ist er lieber im Archiv als daheim.“
    Sein Vater hob die Augenbrauen. „Ich wohne auch bei meiner Mutter!“
    Phil lachte. „Stimmt, aber Isolde kann man wohl kaum mit Arnolds Mutter vergleichen. Ich find's voll in Ordnung, dass wir zu ihr gezogen sind. Außerdem ist die Villa x-mal größer als unsere alte Wohnung, und zur Schule ist es nur ein Katzensprung. Ich kann fast eine halbe Stunde länger pennen.“
    Sein Vater schloss das Auto auf. „Isolde hat uns ja auch die Pistole auf die Brust gesetzt.“
    „So ist sie eben“, sagte Phil und stieg ein. Er erinnerte sich noch genau daran, wie Isolde ihnen nach Großvaters Tod angeboten hatte, bei ihr einzuziehen.
    „Es ist indiskutabel, dass ich olle Scharteke ganz allein in einem dermaßen riesigen Haus lebe“, hatte sie gesagt. „Und wenn ihr das Angebot nicht annehmt, verkaufe ich den Kasten. Und glaubt bloß nicht, dass ihr dann das Geld erbt! Das verprasse ich bis auf den letzten Cent.“
    Phil gurtete sich an, während sein Vater schon losfuhr. Von wegen olle Scharteke! Eine olle Scharteke war Isolde nun wirklich nicht. Sie färbte sich die Haare mahagonirot und schreckte auch, was ihre Kleidung anging, farbtechnisch gesehen, vor nichts zurück. Auf jeden Fall war sie ganz anders als die mausgrauen Omas seiner Freunde. Sie Oma zu nennen, wäre ihm und seiner Schwester nie eingefallen. Isolde war Isolde.
    Sein Vater schaltete das Autoradio an und summte einen Song aus seiner Teenager-Vergangenheit mit. Phil verzog das Gesicht. Wenigstens hatten seine Schwester und er Isoldes musikalisches Talent geerbt, das tröstete sie etwas darüber hinweg, dass ihr Sohn Robert kaum drei Takte richtig nachsingen konnte. Phil wusste, wie viel es seiner Großmutter bedeutete, dass er und Valentina das Amalia-von-Treuenstein-Musikgymnasium besuchten, in dem sie Jahrzehnte lang als Musiklehrerin unterrichtet hatte.
    Der würzige Duft von Ingwer und Zimt schwebte ihnen entgegen, als sie in die weiträumige Diele traten. Ein kleiner schwarz-weiß gefleckter Hund raste kläffend übers Parkett und schlitterte das letzte Stück bäuchlings auf sie zu. Phil ging in die Knie, während er seinen Rucksack abnahm. „Na, Herr Bozzi! – Immer mit der Ruhe!“
    Aber mit der Ruhe hatte es Herr Bozzi, der dritte seines Namens, zum Leidwesen von Isolde gar nicht. Nachdem Herr Bozzi Nummer Zwei das Zeitliche gesegnet hatte, hatte
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