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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf
Autoren: Brigitte Endres
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energiegeladene Strömung, die das Gewitter vor sich hertrieb. Geisterhafte Wolken jagten über einen bleichen Mond. Jäh flammte ein Blitz auf. Und Phil gefror das Blut. – In der Schwärze des Nachthimmels loderte ein silbernes Brandmal. Zwei Halbmonde, die eine Lilie umfassten! Sein Atem raste mit dem Schlag seines Herzens um die Wette. Das Himmelszeichen bannte seinen Blick, bis es, gleich einem verlöschenden Feuerwerk, zu flirrenden Funken verglühte. Ohne fassen zu können, was er gesehen hatte, schloss er am ganzen Leib zitternd das Fenster und verkroch sich ins Bett.
    Ein Zimmer weiter starrte ein Mädchen in die Nacht. Seine Knie bebten, Schweiß perlte von seiner Stirn.
    Als Phil am anderen Morgen erwachte, hätte er unmöglich sagen können, ob sein nächtliches Erlebnis real gewesen war oder ob sein Unterbewusstsein die Ereignisse des vergangenen Tages in ein Trugbild umgesetzt hatte. Er entschied sich für Letzteres und dafür, die Sache für sich zu behalten.
    Während Phil diese Überlegungen anstellte, stand Valentina vor dem Badezimmerspiegel. Aus kleinen Augen betrachtete sie ihre braune Strubbelmähne. Verdammt hatte sie schlecht geschlafen! Sie griff nach der Bürste und zerrte die Borsten durch ihre zerwühlten Locken. „Autsch!“
    „Brauchst du noch lang? Ich muss noch was aus dem Bad holen!“ Die Stimme ihrer Großmutter klang hektisch. Valentina öffnete die Tür. „Komm rein!“
    Herzhaft gähnend wurstelte sie ihre Haare mit einem Gummi hoch.
    Isolde kramte im Badezimmerschrank. „Schlecht geschlafen?“
    „Das Gewitter gestern. Hast du das mitgekriegt?“ Valentina sah ihre Großmutter prüfend an.
    „Ja, natürlich, war ja kaum zu überhören. Zum Glück hab ich im Bett noch gelesen, so konnte ich den Wäscheständer von der Terrasse holen.“
    „Du warst draußen?“
    „Ja – und?“
    „Ist dir was aufgefallen?“
    Isolde setzte fahrig die Brille auf die Nase. „Hast du eine Ahnung, wo mein Necessaire ist?“
    Valentina schüttelte den Kopf.
    „Aufgefallen?“, wiederholte Isolde und schloss unsanft die Schranktür. „Was sollte mir aufgefallen sein?“
    „Ach nichts!“, sagte Valentina. „Wahrscheinlich hatte ich nur einen komischen Traum.“
    Ihre Großmutter nickte. „Bei Gewitter hab ich als Kind auch immer wildes Zeug geträumt.“
    Die Eltern hatten längst das Haus verlassen, als Valentina schließlich nach unten ging. Isolde, in violettem Hosenanzug und lindgrüner Bluse, lief wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Diele. „Hat jemand meinen Autoschlüssel gesehen?“
    Valentina sah sich suchend um. Warum war Isolde eigentlich immer so ein Nervenbündel, wenn sie verreiste? Sie blickte durch die offene Haustür zur Auffahrt, wo der alte Golf ihrer Großmutter parkte. Schmunzelnd ging sie hinaus und zog den Schlüssel vom sperrangelweit geöffneten Kofferraum.
    Isolde wühlte verzweifelt in ihrer Handtasche, als Valentina triumphierend mit ihrem Fund rasselnd hereinkam.
    „Wo hast du den denn her?“
    „Er steckte.“
    „Gott sei Dank!“ Isolde umarmte ihre Enkelin hektisch. „Zum Mittagessen muss ich schon dort sein. Dreihundert Kilometer.“
    „Fahr vorsichtig!“, sagte Phil, der eben die Treppe hinunterkam.
    Seine Großmutter musterte sich nervös im Garderobenspiegel. „Passt auf euch auf! – Aber, meine Glückskinder werden bestimmt zurechtkommen.“ Sie warf ihnen einen Blick zu, der in einigem Widerspruch zu ihrer Bemerkung stand.
    Valentina zwinkerte ihr zu. „Keine Sorge, ich kümmere mich schon um meinen kleinen Bruder.“
    Phil zog eine Grimasse.
    „Vergesst nicht, nachts die Rollos runterzulassen! Das Hundefutter ist im Kühlschrank, und gebt ihm ja nicht zu viel! Herr Bozzi wird sonst zu dick …“
    „Tschüss Isolde!“ Phil winkte ihr beruhigend zu.
    „Endlich“, stöhnte Valentina, als der Golf einige Augenblicke später rumorend anfuhr.
    Herr Bozzi begrüßte sie erfreut, als sie in die Küche kamen. Isolde hatte ihn eingesperrt, damit er die offene Haustür nicht zu einem Ausflug nutzte. Erst vor Kurzem hatte er sich davongemacht. Einige Straßen weiter war eine Pudelhündin läufig, deren Besitzerin wenig Begeisterung darüber gezeigt hatte, dass ein fremder Mischlingshund stundenlang vor ihrer Haustür heulte.
    Nach dem Frühstück raffte sich Valentina auf und ging mit Herrn Bozzi nach draußen. Unwillig blickte sie in den wolkenverhangenen Himmel. Es regnete wieder. Nach dem nächtlichen Gewitter hatte sich anscheinend
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