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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf
Autoren: Brigitte Endres
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schlüpfte in die Schuhe. „Du gehst nirgends allein hin, kleiner Bruder!“
    Es regnete nicht mehr, nur von den Blättern der alten Parkbäume perlten einzelne Tropfen. Kaum hatte Valentina Herrn Bozzi von der Leine befreit, verschwand er, um sich auf die Suche nach einem zweckmäßigen Plätzchen zu machen. Bläuliches Mondlicht blitzte wie Feenstaub auf den Sandkörnern des menschenleeren Wegs.
    Zweige knackten, ein Käuzchen rief in der Ferne.
    „Bozzi?“ Valentinas Stimme zitterte.
    „Oh Gott! Was ist das?“ Phil deutete mit schreckgeweiteten Augen auf ein Gebüsch.
    Valentina fuhr herum. Ihr Herz klopfte wie ein Trommelfeuer. „Was …?“, stieß sie hervor.
    Phil ließ den Arm fallen, dann gluckste er. „Reingelegt! Oder hast du gedacht, die Zombies sind aus dem Fernseher gesprungen?“
    Seine Schwester schluckte. „Das zahl ich dir noch heim! Ich bin fast gestorben vor Schreck.“
    „Reg dich ab!“ Amüsiert suchte Phil mit der Taschenlampe den Wegrand ab. „Herr Bozzi? – Bällchen!“
    Offensichtlich um einiges erleichtert, sprang ein wirbelnder Schatten auf sie zu. Phil schleuderte den Ball von sich, dem der kleine Hund begeistert folgte.
    „Wie wirfst du denn?“, sagte Valentina kopfschüttelnd, nachdem der Ball nur wenige Meter vor ihnen auf den Weg plumpste und Herrn Bozzi eine Vollbremsung abzwang.
    Als er schwanzwedelnd zurückkam, nahm sie ihm den Ball aus dem Maul.
    „Schau her! So macht man das!“
    Phil verdrehte die Augen. Gut, das jahrelange Handballtraining hatte sie zu einer hervorragenden Werferin gemacht. Aber er hatte jetzt keine Lust auf eine Lektion, die er ohnehin schon hundertmal gehört hatte.
    „Linkes Bein leicht nach innen gedreht, Ball vor dem Körper, Wurfhand über den Kopf, Wurfarm …“
    „Vergiss es!“, unterbrach Phil ihre Ausführungen.
    Herr Bozzi sprang an Valentina hoch, die zur Demonstration den Arm nach oben gestreckt hatte.
    „Du bist ein hoffnungsloser Fall“, sagte sie und warf das Hundespielzeug so weit von sich, dass Herr Bozzi eine gute Weile brauchte, bis er es hechelnd zurückbrachte.
    „Dieses Tier ist nicht umzubringen“, stöhnte sie, nachdem sich das Spiel im Weitergehen x-mal wiederholt hatte.
    Phil blieb unvermittelt stehen. Mit aufgerissenen Augen zeigte er nach rechts, wo die Silhouette des Diana-Tempels gegen den Nachthimmel stand. „Da sitzt sie, die schwarze Frau“, raunte er. „Siehst du sie auch, Schwesterchen?“
    Valentina zuckte zusammen, dann verpasste sie ihm einen Rempler. „Jetzt hör auf mit dem Quatsch!“ Sie ärgerte sich über sich selbst. War sie bescheuert, sich auf einmal vor Gespenstern zu fürchten, bloß weil sie einen Gruselfilm gesehen hatte?
    Mit kräftigem Schwung schleuderte sie das Bällchen über die Wiese. Herr Bozzi raste wie der Teufel hinterher.
    In der Wut hatte Valentina weit geworfen, so weit, dass der kleine Hund sich plötzlich in der Dunkelheit verlor.
    Sie warteten eine Weile. Dann riefen sie. Nichts.
    Phil richtete den Strahl der Taschenlampe auf die Wiese und ging los. „Verdammt, hoffentlich ist das Mistvieh nicht wieder abgehauen. Weißt du noch, neulich, als er den Kaninchenbau aufgestöbert hat …“
    „Wart auf mich!“ Valentina rannte ihm durch das feuchte Gras nach.
    Sie waren schon ein ganzes Stück gegangen, als sich in die Geräusche der Nacht leises Winseln mischte.
    Phil legte an Tempo zu. „Das kommt von da vorn!“
    Außer Atem erklommen sie eine kleine Anhöhe und fanden sich schließlich auf den von Unkraut überwucherten Stufen des Diana-Tempels, dessen weiße Säulen, trotz der abblätternden Farbe, im Licht des zunehmenden Monds wie Perlmutt schimmerten. Herrn Bozzis Winseln war nun ganz deutlich zu hören, er musste ganz in der Nähe sein.
    „Hör mal! Warum hallt das so komisch?“, sagte Valentina, während sie mit spitzen Fingern Kletten von der klammen Jeans zupfte. „Irgendwie klingt es, als käme es aus einem Loch.“
    Gemeinsam umrundeten sie das Bauwerk. Phil ging voraus und leuchtete sorgfältig den Sockel ab. „Sieh nur!“
    Seine Schwester folgte dem Lichtschein zu einem Schacht, dessen verrostetes Gitter durchgebrochen war.
    „Herr Bozzi?“ Valentinas Ruf wurde mit jämmerlichem Gejaule beantwortet. Sie stöhnte. „Shit! Er muss durch den Rost gefallen sein! Wie kriegen wir ihn da bloß wieder raus?“
    „Dieser Hund ist eine einzige Landplage!“ Phil starrte düster auf die wenig einladende schwarze Öffnung im Boden, aus der modrige
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