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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf
Autoren: Brigitte Endres
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Luft nach oben quoll. „Von uns passt da keiner durch!“
    Valentina zog ihren Bruder am Ärmel. „Komm mit, vielleicht lässt sich die Tür ja irgendwie öffnen!“
    Phil stapfte ihr verdrossen nach. „Das glaubst du ja wohl selbst nicht.“
    Wie zu erwarten, war die eisenbeschlagene Eichentür fest verrammelt. Soviel sie auch am Türgriff rüttelten, das Schloss hielt stand.
    „Und jetzt?“ Valentina war den Tränen nah. „Hör doch nur!“
    Herr Bozzi heulte in den höchsten Tönen.
    Phil ließ den Strahl der Taschenlampe über die Wand streichen. „Es muss doch jemanden geben, der den Schlüssel hat. Vielleicht hängt irgendwo ein Schild mit einer Telefonnummer. – Du hast doch dein Handy dabei?“
    Valentina nickte.
    Tatsächlich fanden sie neben dem Eingang ein verrostetes Schild, dessen verwitterte Buchstaben kaum noch lesbar waren.
    „Besichtigung derzeit wegen Baumängeln nicht möglich“, entzifferte Phil.
    Valentina deutete auf den Querbalken des marmornen Türstocks. „Da steht noch was.“
    „Irgendeine Inschrift“, sagte Phil. „Sicher nicht die Nummer der Schlossverwaltung.“ Der Lichtschein huschte weiter suchend über die Fassade.
    „Warte!“ Valentina kniff die Augen zusammen. „Mensch, halt doch mal die verdammte Lampe ruhig!“
    Phil tat, wie ihm befohlen, und starrte ebenfalls nach oben. „Sa…, salvete fortu-nae fi…, fil…, filii.“
    „Salvete fortunae filii“, wiederholte Valentina, die ein Jahr länger Latein hatte als ihr Bruder. „Das heißt: Willkommen Kinder des Glücks!“
    Phil trat wütend gegen das Türblatt.
    „Wie passend! Wenn wir nur willkommen wären.“
    Fast gleichzeitig ertönte ein knarzendes Geräusch, so, als schöbe jemand einen Riegel zurück. Die Geschwister wichen zurück. Mit einem Donnerschlag sprang die schwere Tür auf.
    „Wow!“ Phil fuhr sich durch die Haare. „Hab ich so fest dagegengetreten?“
    „Ich …“ Valentina war kreidebleich. „Ich weiß nicht.“
    „Egal, Hauptsache, wir kommen rein.“ Phil machte einen zögernden Schritt vorwärts. Steinern feuchte Luft umfing ihn. „Herr Bozzi?“ Seine bebende Stimme klang seltsam hohl.
    Valentina kam ihrem Bruder auf weichen Knien nach. Beklommen standen sie in einer kleinen Halle, die, soweit sie sehen konnten, vollständig mit einem Mosaik aus bröckelnden Muscheln und Glasteilchen ausgekleidet war. Phil ließ die Taschenlampe kreisen. Dann blieb der Lichtkegel an der Decke hängen. Wie in Beton gegossen starrten sie nach oben. Im Zentrum prangte in spiegelnden silbernen Mosaiksteinchen …
    „Das Symbol“, stieß Valentina aus.
    „Die Mondlilie“, flüsterte Phil.
    Dann schwiegen sie, aufgewühlt, verirrt in wirbelnden Gedanken, bis Valentina mit brechender Stimme sagte: „Was, was bedeutet das? Warum verfolgt mich dieses Zeichen?“
    „Dich? – Nicht nur dich. Gestern Nacht …“
    „Du hast es auch gesehen?“ Valentina rang um Atem. „Dieser Blitz, das Feuerwerk …“
    „Also war es doch real!“, murmelte Phil.
    „Real?“ Seine Schwester zog fröstelnd die Jacke um sich.
    Herrn Bozzis Jaulen drang wieder zu ihnen durch und erinnerte sie an den Zweck ihres Hierseins.
    Phil leuchtete auf eine Öffnung im Boden, Stufen führten in die Tiefe.
    „Da runter?“ Valentina schnürte sich die Kehle zusammen.
    „Komm, Herr Bozzi!“, rief Phil in die Gruft. „Wir sind hier.“
    Valentina spähte ahnungsvoll in den schwarzen Abgrund. „Warum ist er nicht schon längst hochgelaufen?“
    „Vielleicht hat er sich verletzt. Warte, ich geh und hol ihn.“
    „Du lässt mich doch nicht etwa ohne Lampe hier stehen?“ Die Kiefer zusammengebissen, dass es schmerzte, folgte Valentina ihrem Bruder, der bereits die ersten Stufen in das ungewisse Dunkel genommen hatte.
    Die Gruft, die das eigentliche Grab ausmachte, war nicht sehr hoch, doch hoch genug, dass man eben stehen konnte.
    „Ein eigenartiges Grab“, raunte Phil. Mit scheuer Neugier betrachtete er den weißen Sarkophag in der Mitte des Raums, auf dem die lebensgroße Marmorskulptur eines Hundes ruhte.
    Herr Bozzi stand auf den Hinterbeinen und leckte dem Steinhund winselnd die Pfoten.
    Valentina atmete auf, als sie Isoldes Liebling offenbar unversehrt vorfand. „Herr Bozzi wird immer neurotischer, man könnte meinen, er hält den Steinhund für echt“, sagte sie und nahm ihn auf den Arm.
    Phil leuchtete den marmornen Sarg ab. „Und da drin liegt also Amalia von Treuenstein.“
    „Hör auf, das ist gruslig!
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