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Die große Flut

Die große Flut

Titel: Die große Flut
Autoren: Madeleine L'Engle
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Unwirkliche Teilchen und
wirkliche Einhörner
    D as Schneetreiben machte dem Eishockey-Training ein plötzliches Ende.
    »Man sieht ja nicht einmal den Puck«, rief Sandy Murry gegen den Wind. »Gehen wir nach Hause!« Er fuhr ans Ufer des zugefrorenen Teiches, setzte sich auf einen Felsblock, der bereits mit Schnee bedeckt war, zog die Schlittschuhe aus.
    Die anderen im Team stimmten laut zu. Dennys folgte dem Beispiel seines Zwillingsbruders. Der Schnee verklebte ihm die Wimpern; er mußte blinzeln, um den Felsen zu finden. »Warum leben wir aber auch ausgerechnet im höchstgelegenen, kältesten und windigsten Winkel der USA?«
    Die Jungen lachten, verabschiedeten sich. Einer fragte Dennys: »Wo wärest du denn jetzt lieber?«
    Dennys spürte, wie ihm der nasse Schnee in den Kragen rieselte. »In Bali. Auf den Fidschi-Inseln. Irgendwo, wo es warm ist.«
    Der Mitspieler knüpfte die Schnürsenkel aneinander und hängte sich die Eisschuhe über die Schulter. »Im Ernst? Trotz der vielen Touristen?«
    »Und mit all dem Jet-Set am Strand?« fragte ein anderer.
    »Lauter wunderbare Menschen.«
    »Von denen jeder seinen Dreck liegen läßt.«
    Sie gingen. Die Zwillinge blieben allein zurück. »Ich dachte, du magst den Winter«, sagte Sandy.
    »Gegen Mitte März reicht er mir allmählich.«
    »Aber du würdest doch nicht wirklich in einem dieser Touristenparadiese leben wollen?«
    »Wahrscheinlich nicht. Früher einmal, vielleicht. Vor der Bevölkerungsexplosion. – Du, mir knurrt der Magen. Komm, wir laufen um die Wette!«
    Als sie das alte Farmhaus erreichten, das etwa eine Meile außerhalb des Dorfes lag, hatte das Schneetreiben nachgelassen; nur der Wind blies unvermindert weiter. Sie betraten das Haus durch die Garage, gingen an Mutters Labor vorbei, zogen die Anoraks aus, hängten sie lässig auf den Haken und stürmten in die Küche.
    »Hallo!« rief Sandy. »Niemand da?«
    Dennys wies auf den Zettel, der mit Magnetknöpfen auf der Kühlschranktür befestigt war.
    Bin mit Meg und Charles Wallace beim Zahnarzt. Nächste Woche seid Ihr zur Kontrolle dran. Versucht nicht, Euch davor zu drücken. Wer so schnell wächst, wie Ihr im letzten Jahr, muß sich vorsehen. Küßchen, Mutter.
    Sandy bleckte demonstrativ die Zähne. »Keine Spur von Karies.«
    Dennys äffte ihn nach. »Aber gewachsen sind wir, das stimmt. Letztesmal waren wir knapp eins achtzig.«
    »Und mittlerweile sind wir bestimmt drüber.«
    Dennys öffnete den Kühlschrank. In einer Steingutschüssel lagen mehrere halbe Hähnchen, plus Hinweis: VERBOTEN! Soll unser Abendessen werden.
    Sandy nahm die Wurstbox heraus. »Schinken. Einverstanden?«
    »Klar. Und Käse.«
    »Und Senf.«
    »Und eingelegte Oliven.«
    »Und Ketchup.«
    »Und Mixed Pickles.«
    »Es sind keine Tomaten da. Da hat Meg wahrscheinlich wieder kräftig zugelangt.«
    »Dafür gibt es reichlich Leberwurst. Mutters Leibspeise.«
    »Mmm.«
    »Also bleibt es bei Käse und Zwiebelscheiben.«
    Sie bedienten sich reichlich und schnitten dicke Scheiben vom Brot, das sie frisch aus dem Backrohr holten. Dennys spähte hinein: es duftete nach Bratäpfeln.
    Sandy betrachtete mißbilligend den Küchentisch, aufdem Meg ihre Bücher und Hefte ausgebreitet hatte. »Sie beansprucht schon wieder allen Platz für sich.«
    »Wer auf die Uni geht, hat mehr Schreibkram am Hals als wir«, verteidigte sie Dennys.
    »Und nimmt dafür jeden Tag eine Weltreise auf sich. Mir wäre das lästig.«
    »Autofahren macht ihr Spaß. Und am Nachmittag ist sie eher daheim als wir.« Dennys lud seine Schulbücher auf dem großen Tisch ab.
    Sandy las im Stehen in Megs Notizen. »Hör dir das an! Hoffentlich steht nicht auch uns so ein Unsinn bevor, wenn wir auf die Uni kommen. Das Vorhandensein präbiotischer Vorläufer polymerer Proteine scheint erwiesen; daraus folgt, daß den Urformen nicht A-Aminosäuren zugeschrieben werden dürfen. Ich nehme an, sie weiß, was das bedeutet. Mir ist es völlig schleierhaft.«
    Dennys blätterte eine Seite zurück. »Dann schau dir den Titel an. Die Preisfrage, was zuerst kam, das Huhn oder das Ei, hier dargestellt am Beispiel der Aminosäuren oder deren Polymere. Meg ist fraglos ein mathematisches Genie, aber griffig formulieren kann sie leider nicht.«
    »Jetzt behaupte bloß noch, du verstehst was von dem Zeug, das sie da zusammenfaselt!« höhnte Sandy.
    »In groben Zügen, ja. Mutter und Vater reden doch oft beim Abendessen über diese Themen. Polymere, virtuelle Partikel, Quasare –
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