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Der letzte Bissen

Der letzte Bissen

Titel: Der letzte Bissen
Autoren: Leo P. Ard
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eine fröhliche Runde beim Essen. Es wurde gekaut und geschmatzt, getrunken und gelacht. Ein verwackelter Schwenk auf einen Teller zeigte den Grund der allgemeinen Freude: Rindercarpaccio.
    »Wo hatte der Kerl nur die Kamera versteckt?«
    Der Techniker zuckte mit den Achseln. »Vielleicht im Ärmel. Oder in einem der Knopflöcher seiner Jacke. Diese Spezialkameras sind heutzutage so klein wie eine Wanze, die kann man überall verstecken.«
    Das Objektiv erfasste die Kanzlerin. Sie stand an einer Seite des Tisches und schnitt mit einer Geflügelschere eine gefüllte Gans auf. Der Außenminister assistierte ihr dabei. Es folgte ein Schwenk über die genussvoll speisenden Kabinettsmitglieder. Das Bild verharrte auf dem Innenminister, der einen knusprig aussehenden Flügel abnagte.
    Plötzlich flackerte das Deckenlicht in dem abgedunkelten Raum auf. Alt und der Techniker drehten ihre Stühle Richtung Tür.
    Sie sahen sich vier Männern im schwarzen Dress gegenüber. Die Eindringlinge trugen Gesichtsmasken mit Schlitzen und Pistolen in ihren Händen. Offenbar hatten sie schon eine ganze Weile dort gestanden, Alt hatte nicht gehört, wie sie hereingekommen waren.
    »Wer sind Sie?«, fragte Alt mit belegter Stimme. »Was wollen Sie?« Er hatte die Worte noch nicht ausgesprochen, da war ihm schon klar, wie naiv seine Frage war.
     
    Um kurz vor zwölf ging Eberwein zu seiner kleinen Bürobar und schenkte sich einen Cognac ein. Dann setzte er sich wieder an seinen Schreibtisch und starrte auf die Digitalanzeige der Designeruhr. Sie war ein Geschenk von Siggi anlässlich seiner Ernennung zum Staatssekretär gewesen. Er hätte gleich gerne mit ihm angestoßen.
    Vor zwei Jahren hatte Eberwein seinem Freund gegenüber schon mal zarte Andeutungen gemacht, dass es sinnvoll sei, neben der Politik noch ein zweites Standbein zu haben, aber Siggi hatte darauf mit Desinteresse reagiert. In einer ihrer nächtlichen Diskussionen hatte Eberwein mit Respekt vom Bergmann und seiner Logistik gesprochen, Siggi hatte mit Rübe-ab-Schlagworten gekontert. Siggi war ein hoffnungsloser Moralist gewesen, für den es Schwarz und Weiß, aber keine Schattierungen gab.
    Eberweins Augen füllten sich mit Wasser. Er würde dafür sorgen, dass Siggi ein würdiges Begräbnis erhielt.
    Die Digitalanzeige verkündete, dass es zwölf Uhr war.
    »Prost, Siggi.«
    Eberwein kippte den Cognac.
     
    Die nächste halbe Stunde war er damit beschäftigt, die restlichen Termine des Tages abzusagen, er wollte für die Turbulenzen nach dem Rücktritt der Regierung gewappnet sein. Anschließend blätterte er in den Ermittlungsakten, die ihm seine Sekretärin gebracht hatte. Es gab einen Zeugen, der den Mann gesehen hatte, der Jungclausen auf der Straße niedergestochen hatte.
    Eberwein griff zum Telefon und versuchte, Krischka zu erreichen, um ihn zu bitten, sich für die nächsten Wochen von der Hauptstadt fern zu halten. Die Mailbox meldete sich. Eberwein sah auf die Uhr. Die Entsorgung der aufdringlichen Polizistin musste Krischka eigentlich längst erledigt haben.
    Um kurz vor eins erschien seine Sekretärin in der Tür.
    »Der Herr Innenminister«, meldete sie und klang etwas verstört.
    Der Dicke kam herein und schien bester Laune zu sein. Unaufgefordert setzte er sich auf das Sofa.
    »Der Ruhestand tut Ihnen gut«, feixte Eberwein. »Sie sehen zehn Jahre jünger aus.«
    »Nichts ist mit Ruhestand«, sagte der Innenminister und breitete seine Arme auf dem Rückenpolster aus. »Kein Rücktritt, kein Ruhestand.«
    »Was ist passiert?« Im Nacken des Staatssekretärs begann es zu kribbeln.
    Der Innenminister verzog das Gesicht zu einem feisten Grinsen. »Wir haben den Film.« Er griff in die Innentasche seines Jacketts und zog die DVD hervor.
    Eberwein biss sich auf die Unterlippe. Fieberhaft suchte er nach einer Erklärung. Der Film war beim Sender, auf Alt war hundertprozentig Verlass.
    Der Innenminister genoss die Verblüffung seines Gegenübers. »Eine Spezialeinheit der Polizei hat gerade eine Verschwörung aufgedeckt, die gegen die Repräsentanten unseres Staats gerichtet war. Es hat erste Verhaftungen gegeben.«
    Eberwein schluckte. Er goss sich aus einer Karaffe ein Glas Wasser ein und trank es aus. »Geht es ein bisschen konkreter?«
    »Natürlich!«
    Der Innenminister federte aus dem Sessel wie ein Sprinter beim Startschuss. »Fragen Sie doch die Beteiligten selbst. Sie warten draußen.«
    Mit schnellen Schritten war er an der Tür und öffnete sie. Zuerst
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