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Verführung pur

Verführung pur

Titel: Verführung pur
Autoren: Joanne Rock
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1. KAPITEL
    Seth Chandler lehnte am Mast der
José Gaspar
und lüpfte seine Augenklappe. Missmutig blickte er sich unter der wilden Horde Piraten um, die sich auf dem Hauptdeck tummelten. Er wusste aus dem Stehgreif mindestens tausend Orte, an denen er in diesem Moment lieber wäre, und an erster Stelle stand sein Büro, wo sich die Arbeit auf dem Schreibtisch türmte.
    Außer ihm befanden sich schätzungsweise fünfundsiebzig weitere Piraten und ein paar Piratenbräute an Bord des Schiffes. Alle hatten sich aufwendig kostümiert und schwangen johlend ihre Rumflaschen, während das Schiff in die Tampa Bay einlief.
    Ursprünglich hatte Seth einen Schauspieler engagiert, der sein Unternehmen beim jährlichen Gasparilla-Festival vertreten sollte, doch der war leider zwei Stunden vorher abgesprungen. Und mit dem Namen seiner Firma auf der Sponsorenliste konnte Seth unmöglich riskieren, die Piratenrolle an irgendeinen x-beliebigen Mitarbeiter zu delegieren.
    Er hatte wohl oder übel selbst zur Augenklappe greifen müssen. Schließlich wurde dieser ganze Zirkus von Fernsehkameras begleitet, und somit stand der Ruf des Unternehmens auf dem Spiel. Nein, Seth hatte gewiss nicht jahrelange Arbeit investiert, um sich alles durch einen peinlichen Auftritt ruinieren zu lassen.
    Da war es allemal sicherer, wenn er die Sache selbst übernahm. Und diese sogenannte Sache bestand darin, eine von den wartenden Frauen am Strand zu entführen und für einen Tag zu verwöhnen. Derjenige Pirat, der seinen Job am besten machte, sollte in den Abendnachrichten erscheinen. Der Werbeeffekt war also durchaus verlockend.
    Gerade deshalb war dieses alberne Festival viel zu wichtig, als dass Seth sich getraut hätte, in letzter Minute jemand anders für die Piratenrolle zu engagieren. Nicht auszudenken, was geschehen könnte, wenn sich sein Ersatzmann vor den Kameras danebenbenahm oder gar die entführte Piratenbraut versehentlich fallen ließ. Derartige Ausrutscher zogen bekanntlich langwierige Schadensersatzprozesse nach sich.
    So war ihm nichts anderes übrig geblieben, als sich barfuß, mit bloßem Oberkörper und mit einem Theaterdolch bewaffnet ins Getümmel zu stürzen. In letzter Minute war er an Bord der
José Gaspar
gesprungen.
    Trotzdem wünschte er, sein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein hätte einmal ausgesetzt, denn als das Schiff die kleine Hafeninsel umrundete und Kurs auf die Bucht nahm, standen dort unzählige Frauen, die sich freiwillig als Entführungsopfer anboten. Seth konnte sich für einen sonnigen Samstagnachmittag wahrlich angenehmere Dinge vorstellen, als den Piratenclown für eine kichernde Frau zu spielen.
    Doch nun war es zu spät, um noch einen Rückzieher zu machen. Also suchte er die Reihen der Wartenden nach einer geeigneten Kandidatin ab, mit der er auf seine Yacht fliehen und einige Stunden durch die Bucht schippern würde. Zunächst schloss er sämtliche Touristinnen aus, die sich allein dadurch entlarvten, dass sie im Februar einen String-Bikini trugen. Zwar waren die Temperaturen in Florida selbst um diese Jahreszeit sommerlich, aber keine einheimische Frau würde deshalb gleich zum Bikini greifen.
    Und Seth wollte auf gar keinen Fall mit einer halb nackten Frau im Arm in den Abendnachrichten erscheinen. Entsprechend würde er sich eine Kandidatin wählen, die genug anhatte, um ihn nicht wie einen ekligen Lüstling dastehen zu lassen.
    Außerdem reichte ihm schon, dass
er
halb nackt war. Sich zu allem Überfluss noch eine praktisch unbekleidete Frau an die nackte Brust zu drücken könnte selbst für ein Musterbeispiel an Selbstbeherrschung zu viel werden.
    Er betrachtete die Menge der Wartenden und hoffte, eine möglichst unverfängliche Piratenbraut zu entdecken. Ein großmütterlicher Typ wäre ideal für seine Zwecke und eine ausgezeichnete Werbung für Chandler Enterprises. Seth würde sie mit auf seine Yacht nehmen und sie abends zum Essen ausführen.
    Eine gestandene reifere Frau für einen Nachmittag und Abend zu unterhalten sollte doch eine Kleinigkeit für einen Mann sein, den man normalerweise hinzuzog, wenn über internationale Fusionen verhandelt wurde, der Fachzeitungen und Wirtschaftsliteratur in zwölf Sprachen las und ausreichend Kapital angehäuft hatte, um sich und seiner Armee von Mitarbeitern ein Leben in Wohlstand zu sichern.
    Während das Schiff vor der wartenden Menge in Position ging, rückte Seth seine Augenklappe wieder zurecht, nahm den Dolch zwischen die Zähne und machte
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