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Der kalte Hauch der Angst

Der kalte Hauch der Angst

Titel: Der kalte Hauch der Angst
Autoren: Pierre Lemaitre
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dagelassen, die sie immer mit
    sich herumgeschleppt hat. Ich hätte die Sachen ihren
    Kollegen zurückgeben müssen, habe es aber vergessen
    und irgendwann nicht mehr daran gedacht. Bis Du
    wieder davon angefangen hast …«
    Â»Aber die Archive, die echten, die Protokolle ihrer Therapiesitzungen, all diese Dinge, wo sind die abgeblieben?«
    Â»â€¦Â«
    Â»Papa, wo?«
    Â»Hm … Nach dem Tod Deiner Mutter ist vermutlich
    alles bei ihren Kollegen geblieben … Ich weiß nicht mal,
    wie die Sachen aussehen. Warum?«
    Â»Weil ich in den Sachen von Frantz etwas Komisches
    gefunden habe. Ein Dokument von Mama …«
    Â»Worüber?«
    Â»Ãœber den Fall Sarah Berg. Ein ausführlicher Bericht.
    Ziemlich seltsam. Das sind keine Arbeitsnotizen, es ist
    ein Bericht. Adressiert an Sylvain Lesgle, keine Ahnung,
    warum. Ist auf Ende 1999 datiert. Ich weiß nicht, wie er
    in Frantz Hände geraten ist, aber das dürfte eine ziemlich strapaziöse Lektüre für ihn gewesen sein, wenn nicht
    schlimmer!«
    Â»â€¦Â«
    Â»Sagt Dir das alles nichts, Papa?«
    Â»Nein, gar nichts.«
    Â»Du fragst gar nicht, wovon ich rede.«
    Â»Du hast doch gesagt, dass es um Sarah Berg geht.«
    Â»Ja. Jedenfalls ist das sehr merkwürdig gewesen von
    Mama …«
    Â»?«
    Â»Ich habe diesen Bericht sehr gründlich gelesen, und ich
    kann Dir versichern, dass er alles andere als professionell
    klingt. Er ist überschrieben mit Klinische Bilanz. (Hast
    Du so was schon mal gehört?) Auf den ersten Blick
    wirkt es profimäßig, aber sieht man genau hin, ist es nur
    Gefasel …«
    Â»?«
    Â»Vorgeblich geht es um den Fall Sarah Berg, aber in
    Wirklichkeit ist es ein so seltsam verworrenes pseudopsychiatrisches Gerede – diese Wörter und Fachbegriffe
    sind offensichtlich aus irgendwelchen Lexika und
    populärwissenschaftlichen Werken abgeschrieben. Zum
    Beispiel sind die biografischen Daten der Patientin, abgesehen von dem, was man über ihren Mann im Internet
    finden kann, so allgemein gehalten, dass das jeder schreiben kann, auch wenn er sie überhaupt nicht gekannt hat.
    Man braucht nur zwei, drei Angaben über diese Frau,
    und schon ist dieses Pseudopsychomischmasch fertig …«
    Â»Aha.«
    Â»Alles ist komplett zusammenphantasiert. Aber wenn
    man keine Ahnung davon hat, klingt es glaubhaft.«
    Â»â€¦Â«
    Â»Meiner Ansicht nach (ich kann mich aber auch irren)
    ist dieser Bericht über Sarah Berg frei erfunden.«
    Â»â€¦Â«
    Â»Und Deiner Meinung nach, lieber Papa?«
    Â»â€¦Â«
    Â»Du sagst ja gar nichts.«
    Â»Gut, also, hör zu … Weißt Du, diese Psychofachsprache
    war noch nie mein Ding … Ich kenne mich mit Architektur und Technik aus.«
    Â»Und?«
    Â»â€¦Â«
    Â»Hallo!«
    Â»Na ja, hör zu, grüne Maus … Ich habe getan, was ich
    konnte …«
    Â»O Papa!«
    Â»Ja, gut, ich gebe zu, es ist eher eine grobe Einschätzung …«
    Â»Erklär es mir!«
    Â»Das Wenige, das in dieser Klinischen Bilanz steht, sagt
    das Wesentliche: Frantz muss schon lange davon geträumt haben, den Tod seiner Mutter zu rächen, indem
    er Deine Mutter tötet. Und da es dazu nicht mehr
    kommen konnte, hat er all seinen Hass auf Dich übertragen.«
    Â»Ganz offensichtlich.«
    Â»Ich dachte, ich könnte das als Hebel benutzen. So kam
    ich auf die Idee, diesen Bericht zu verfassen, um dem
    Jungen ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen.
    Du hast Hilfe gebraucht.«
    Â»Aber wie hat Frantz ihn gefunden?«
    Â»Du warst überzeugt, dass er mich aufmerksam beobachtet
    hat. Also habe ich Kartons in die Scheune gestellt, die
    angeblich das Archiv Deiner Mutter beinhalten. Dann
    habe ich das Scheunentor weit offen gelassen. Und ich
    habe mir wirklich Mühe gegeben, die Akten alt aussehen
    zu lassen. Unter dem Buchstaben … habe ich dann das
    für ihn vorbereitete Blatt eingeordnet. Zugegeben, der
    Stil ist ein bisschen … schlampig.«
    Â»Schlampig ja, aber sehr wirkungsvoll! So ein Bericht
    würde jeden Sohn in Depressionen stürzen, vor allem
    wenn er so eine starke Mutterbindung hat. Und das
    wusstest Du!«
    Â»Sagen wir, es war ein logischer Schluss.«
    Â»Ich glaub’s nicht! Das hast Du gemacht!«
    Â»Ich weiß, es ist sehr
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