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Saat des Feuers

Saat des Feuers

Titel: Saat des Feuers
Autoren: C Palov
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    Washington, D. C., 1. Dezember
    Langsam und bedächtig fuhr der Kurator mit den Fingerspitzen über das kleine Bronzekästchen und streichelte leicht die eingravierten hebräischen Schriftzeichen. Die Liebkosung eines Liebhabers.
    Mit angehaltenem Atem öffnete er die Kassette.
    » Claves regni caelorum «, flüsterte er. Gebannt wie Eva auf den verbotenen Apfel, starrte er auf das Artefakt, das sich in dem Kästchen befand. Zwölf glänzende, in eine antike goldene Fassung gebettete Edelsteine.
    Die Schlüssel zum himmlischen Königreich.
    Dr. Jonathan Padgham, Chefkurator des Hopkins-Museums für Kunst des Nahen Ostens, griff in das Kästchen und nahm vorsichtig etwas heraus, das einst ein juwelenbesetzter Brustschild gewesen war. Einst . Vor langer Zeit. Vor mehr als dreitausend Jahren seiner Schätzung nach.
    Obwohl Reste des goldenen Skapuliers immer noch schwach an der Fassung hafteten, war das Artefakt kaum noch als Brustschild erkennbar, denn die Ketten, mit denen der edelsteinbesetzte Schild ursprünglich am Körper seines Trägers befestigt wurde, waren schon seit langem verschwunden. Nur die Juwelen, in vier Reihen zu je drei Steinen angeordnet, ließen die ursprüngliche rechteckige Form des Brustschildes erahnen, der ungefähr zwölf auf zehn Zentimeter maß.
    »Ganz schön fetter Klunker, was?«
    Verärgert über die Störung musterte Padgham die Frau mit dem lockigen Haar, die gerade eine Kamera auf einem Stativ befestigte,
und fragte sich nicht zum ersten Mal, was sie wohl geritten haben mochte, einen langen Schottenrock mit einem Paar Motorradstiefeln aus schwarzem Leder zu kombinieren.
    Mit einem frechen Grinsen trat Edie Miller an seinen Schreibtisch und neigte den Kopf, um einen Blick auf das Artefakt zu werfen. Ihm war schon, kurz nachdem er in das »Land der Freiheit« ausgewandert war, klar geworden, dass die amerikanischen Frauen sich weitaus dreister als ihre englischen Geschlechtsgenossinnen verhielten. Ohne ihr Beachtung zu schenken drapierte Padgham den Brustschild auf einem quadratischen schwarzen Samttuch, damit er fotografiert werden konnte.
    »Wow. Da sind ein Diamant, ein Amethyst und ein Saphir.« Während die Frau sprach, deutete sie auf jeden Stein, den sie nannte. Am liebsten hätte Padgham ihre Hand festgehalten, aus Angst, sie könnte das kostbare Artefakt tatsächlich berühren. Als freiberufliche Fotografin, die vom Hopkins-Museum beauftragt worden war, die Sammlung digital zu archivieren, war sie nicht dazu ausgebildet, mit seltenen Artefakten umzugehen.
    »Und hier ein Smaragd! Was übrigens zufälligerweise mein Geburtsstein ist«, fuhr sie fort. »Was, glauben Sie, hat er? Ungefähr fünf Karat?«
    »Ich habe keine Ahnung«, meinte er wegwerfend, denn Gemmologie war nicht unbedingt seine Stärke. Ihre ebenfalls nicht, vermutete er.
    »Was glauben Sie, wie alt es ist?«
    »Ich habe keine Ahnung«, antwortete er erneut, ohne die seltsame Elster im Schottenrock auch nur eines flüchtigen Blickes zu würdigen.
    »Ich schätze, richtig alt.«
    Um genau zu sein, stand hinter dem Alter des Brustschildes ein sehr großes Fragezeichen. Ebenso, was dessen Herkunft betraf. Obwohl er eine leise Ahnung hatte.
    Wieder ließ Padgham die Spitze seines manikürten Fingers
über die eingravierten Symbole gleiten, welche die Bronzekassette schmückten, die den Brustschild beherbergt hatte. Er erkannte nur ein Wort wieder –-, das hebräische Tetragramm. Der unaussprechliche Name Gottes. Die vier Buchstaben waren als Talisman auf der Kassette angebracht worden, um die Neugierigen, die Begehrlichen und die Gierigen abzuwehren, die hinter antiken Artefakten her waren.
    Wie in Gottes Namen war ein antikes hebräisches Artefakt im Irak gelandet?
    Obwohl Museumsdirektor Eliot Hopkins sich sehr bedeckt gehalten hatte, war ihm entschlüpft, dass das Artefakt aus dem Irak stammte. Der alte Mann hatte Padgham mit der ersten Beurteilung des juwelenbesetzten Brustschildes beauftragt. Er hatte ihn auch ermahnt, dichtzuhalten. Padgham war kein Narr. Ganz im Gegenteil. Er wusste, dass das Artefakt auf dem Schwarzmarkt gekauft worden war.
    Ein riskantes Geschäft, der Kauf gestohlener Artefakte. Vor ein paar Jahren war ein Kurator des renommierten Getty-Museums von italienischen Staatsanwälten vor Gericht gebracht worden, weil er wissentlich geklaute Artefakte gekauft hatte. Der illegale Antiquitätenhandel war ein Milliarden-Dollar-Geschäft, insbesondere da im Irak ständig Artefakte gestohlen wurden
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