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Der junge Seewolf

Titel: Der junge Seewolf
Autoren: Adam Frank
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die Tränen, die er fühlte, nicht in die Augen zu lassen. »Ich mußte immer in Englisch erzählen, was ich getan hatte, und sie verbesserte mich, wenn ich etwas falsch sagte. Ich bin auch schon vier Jahre zur Lateinschule gegangen und habe dort etwas Französisch gelernt. Vater hat darauf bestanden, daß ich noch bei einer ehemaligen Gouvernante aus Rennes Stunden nahm, damit die Aussprache besser wurde.«
    »Hm, so weit, so gut. Und wie steht es denn mit der Mathematik und den Realien? Kennst du den Pythagoras, und kannst du Prozente rechnen, was in meinem Beruf sehr wichtig ist?«
    »Wir haben wenig Mathematik, Physik und andere Realwissenschaften gelernt, weil der Direktor meinte, das gehöre nicht zur Klassik. Aber mein Vater hat mir etwas Chemie beigebracht, wenn er Medikamente zusammenstellte.«
    »Was ich über euren Direktor denke, will ich lieber nicht sagen«, brummte der Onkel. »Wir sind hier auf der Insel etwas praktischer als ihr da drüben. Deine Mathematik kannst du in Portsmouth auffrischen. Das werden wir schon sehen. Aber jetzt kommt bald unsere Kutsche.«
    »Fahren wir dann nach Portsmouth?«
    »Nein«, wehrte der Onkel ab, »wir reisen erst morgen früh. Die Postkutsche fährt zwar spät am Abend nach Portsmouth, aber wir fahren am Tag mit einer Mietkutsche, die sich einige Reisende teilen. Da siehst du etwas vom Land, und wir müssen uns weniger vor Straßenräubern in acht nehmen. Jetzt wollen wir noch etwas in London umherkutschieren, damit deine Mutter nicht sagen kann, ich hätte dir nichts von ihrer Heimat gezeigt.«
    Die Kutsche fuhr vor, diesmal war es eine offene, und David genoß die Rundfahrt. Sie ratterten die breite Straße entlang, die ›Strand‹ hieß und zum Themseufer hin große und teure Villen zeigte, bogen nach Whitehall ab, sahen die Admiralität, Horse Guards und Westminster mit der Brücke, alles mit den belehrenden Erklärungen des Onkels dargeboten.
    Wie oft er später in wichtiger Mission zur Admiralität nach Whitehall kommen müßte, solche Vorahnung trübte Davids Schaulust nicht. Am beeindruckendsten aber war für ihn der Besuch in Mr. Cox' Museum. Für fünf Schilling drei Pence tat sich eine Zauberwelt der Mechanik auf.
    Schmetterlinge aus dünnem Blech ließen durch winzige Mechanismen ihre mit Diamanten besetzten Flügel schlagen. Goldene Elefanten bewegten sich mit palastartigen Aufbauten auf den Tischen vorwärts. Mechanische Schlangen krochen Bäume hinauf, die aussahen, als seien sie echt. Bilder des Königspaares wurden illuminiert, und eine mechanische Kapelle spielte ›God save the King‹. Tulpen öffneten und schlossen sich und – für David der Höhepunkt – Drachen spien Perlen wie Feuer aus.
    Während er von Tisch zu Tisch ging, fragte er sich immer wieder, ob das nun Traum oder Wirklichkeit sei. Der Onkel, der eine Zeitlang mehr auf eine junge Dame geachtet hatte, bei der er nicht sicher war, ob sie vom Stande oder vielleicht nicht so sehr standhaft war, brachte schließlich die Wirklichkeit zurück.
    »So, David, bevor du dir die Augen ganz aus dem Kopf geguckt hast, sollten wir ins Gasthaus fahren. Der Tag war lang genug für dich.«
    Das war er allerdings, dachte David, als er im ungewohnten Bett in der Kammer lag. Das war der ereignisreichste Tag in meinem Leben! Doch trotz aller Müdigkeit wollte der Schlaf nicht kommen. London ratterte, schrie und stöhnte wie am Tag. Bei dem Peitschenknall der Kutscher und den Rufen der Bettler wanderten die Gedanken zu seinen Eltern. Er kniff die Augen zu, und dennoch blieben die Bilder blaß und undeutlich.
    Dann war wieder der mechanische Drache vor seinen Augen, und schließlich erinnerte er sich an nichts mehr, als der Diener an die Tür klopfte: »Sechs Uhr morgens, junger Herr!« Also mußte er doch geschlafen haben. Nun aber raus aus dem Bett. Der Onkel wartete sicher nicht gern.
    Als die Kutsche vorfuhr, stand das Gepäck am Eingang, Onkel und Neffe waren bereit. Ein Dienern des Wirtes, Trinkgelder für die Knechte und hinein in die große Kutsche! Drinnen saßen Mr. Grey, ein Schiffsbauer aus der Königlichen Werft von Portsmouth, der mit der Admiralität und dem Flottenamt verhandelt hatte, und Mr. Foot, ein Reeder aus Portsmouth. Beide kannten Davids Onkel gut.
    Es gab eine herzliche Begrüßung, gebührende Aufmerksamkeit für den Neffen und allgemeine Erleichterung, daß man aus dieser Riesenstadt, diesem lärmenden Sündenbabel, wieder ins heimatliche Portsmouth fuhr. Obwohl, wandte Mr.
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