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Der junge Seewolf

Titel: Der junge Seewolf
Autoren: Adam Frank
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Repräsentanten hatten. Aber wer könne die Menschen denn dauernd zählen und die Wahlkreise neu einteilen?
    »Du wirst es im Leben noch erfahren, David. Wir müssen alle mit Unvollkommenheiten leben. Hauptsache, der Weg geht in die richtige Richtung. Umwege und Schlaglöcher kann man schon ertragen. Ich halte nichts von denen, die alles perfekt regeln wollen. Da das gar nicht geht, schaffen sie nur neue Willkür. Und am schlimmsten ist eine Regierung, die aus Dummheit und Unkenntnis ein falsches Gesetz durch das andere falsche ablöst, weil sie nach dem Pöbel schielt. Und Lord North versteht anscheinend genausowenig von den amerikanischen Kolonien wie vom Handel. Glaub mir, es wird noch sehr viel Ärger geben. Aber ihr in Hannover werdet wohl weniger davon merken.«
    Wenn er die Erläuterungen noch fortsetzen wollte, wenn David hätte nachfragen wollen, es war zu spät! Die Kutsche stand bereit. Der Kutscher knallte mit der Peitsche. Sie setzten sich eilends zu den anderen, und ab polterte der Wagen über das Pflaster. Dann mahlten die Räder wieder durch den Sand der Landstraße, und das Gefährt schlingerte in den ausgefahrenen Spuren. Die Reisenden waren satt und dösten vor sich hin.
    Erst am späten Nachmittag, nach einer Pause und einem Topf Tee, kam wieder ein Gespräch auf. Die Gedanken waren in die Heimatstadt vorangeeilt. Und man tauschte Klatsch über diesen und jenen aus, diskutierte über Entscheidungen des Magistrats und sprach über die Aussichten von Handel und Wandel.
    David war nur hin und wieder an dem Gespräch interessiert. Es strengte ihn auch an, der ungewohnten Sprache, dem ungewohnten Dialekt konzentriert zu folgen. So wanderten seine Gedanken zurück in die Heimat, zur Mutter, die sich voller Liebe und Wehmut von ihm verabschiedet hatte, zum Vater, der nie mit der Arbeit fertig wurde, mit den hilfesuchenden Patienten und den Schreiben, die ihn mit der gelehrten Welt verbanden. Und doch hatte David seine Liebe gespürt, wenn er ihn ansah, ihm die Hand auf die Schulter legte.
    Aber die Hand auf seiner Schulter, die ihn jetzt leicht schüttelte, war die von Onkel William: »Aufgewacht, mein Junge! Willst du nicht sehen, wie wir in Portsmouth eintreffen?«
    Im letzten Tageslicht, das vom Grau des Meeres getönt wurde, sah er die Stadtwälle, einen Meeresarm, Masten und Gebäude.
    »Wir fahren am Mill Pond entlang«, wies der Onkel auf das Wasser. »Rechts liegt Portsea, daneben die königliche Werft und vor uns die Brücke zur Stadt.«
    Große Gebäude blieben rechts liegen, David glaubte Kanonen zu sehen, die Räder gaben ein anderes Geräusch, dann hatten sie die Brücke passiert und waren in der Stadt. Enge Straßen, ein kleiner Platz. Die Kutsche hielt vor einem Gasthof.
    »Gott sei Dank«, seufzte Mr. Foot. »Na endlich«, klang es aus Mr. Greys Ecke.
    Die Tür wurde aufgerissen.
    Mr. Grey beugte sich zu David vor: »Besuch mich mal in der Werft. Da gibt es viel zu sehen. Und nun gehab dich wohl, mein Junge.« Schwer stieg er auf die Klapptreppe, stand noch einen Augenblick auf dem Steinpflaster und wartete auf sein Gepäck. »Es war angenehm, mit Ihnen zu fahren, meine Herren. Grüßen Sie bitte Ihre Gattinnen. Ich hoffe, Sie finden alle Ihre Lieben gesund vor.«
    Davids Onkel hatte mit dem Gastwirt vereinbart, daß ein Gehilfe das Gepäck mit der Karre in sein Haus brachte. Dann verabschiedete er sich von seinen Mitreisenden. »Komm, David, wir gehen das kurze Stück zu Fuß. Es lohnt nicht, eine Kutsche zu rufen, und wir haben den ganzen Tag gesessen.«
    Die Straße war noch belebt wie am hellen Tag. Marineblau war die vorherrschende Farbe bei den Männern. Meist waren es Maate und Kapitäne der Handelsschiffe. Hin und wieder brachten die Manschetten und Revers der Offiziere der Royal Navy weiße Tupfer in das Blau. Einfache Matrosen waren seltener zu sehen.
    »Die sitzen jetzt in den Tavernen unten am Point«, erklärte Onkel William.
    Zivilisten in grauen und braunen Röcken tauschten mit dem Onkel Grüße aus, und er verbeugte sich artig vor dieser oder jener Dame.
    Dann zeigte er auf ein breites zweistöckiges Haus, in Ufernähe gelegen: »Dort sind wir daheim, David! Links schließen sich die Warenräume an, unten sind Kontor und Empfangszimmer, und oben und zur See hin wohnen wir.«
    Der kupferne Türklopfer hatte kaum die Tür berührt, als sie auch schon aufflog.
    »Willkommen daheim, Sir, und willkommen auch der junge Herr«, begrüßte sie John, Hausdiener, Hausmeister und
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