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Daemonenhunger

Daemonenhunger

Titel: Daemonenhunger
Autoren: Timothy Carter
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Eines Tages wird der Planet X die Erde rammen«, erklärte das hochgewachsene Mädchen mit dem weißen Bubikragen. »Und dann wird er uns alle vernichten.«
    Vor ihr auf der Schulbank lag ein bemalter Basketball, der den feindlichen Planeten darstellen sollte, daneben stand ein Globus, auf dem alle zu erwartenden Naturkatastrophen detailliert mit wasserfestem Marker eingezeichnet waren.
    Auf dem großen Plakat an der Wand war die exakte Darstellung der Umlaufbahn des feindlichen Sterns zu sehen. Darüber prangte in fetten roten Lettern: »Planet X«.
    Das Mädchen hieß Sandra. Sie war nicht Vincent.
    »Sie haben längst ihre Agenten ins Weiße Haus und das Pentagon eingeschleust«, verkündete ein japanischer Junge, auf dessen strahlend weißem T-Shirt ein riesiger waffenstarrender Roboter prangte. »Wenn ihre Flotte erst mal in die Erdumlaufbahn eingetreten ist, haben sie uns innerhalb von Sekunden erledigt.«
    Vor ihm auf dem Tisch hatte er kriegerisch aussehen de Aliens aus Plastik und Ufo-Spielfiguren aufmarschieren lassen und der besonders schaurigen Wirkungen wegen abgetrennte Gliedmaßen menschlicher Plastikfiguren darum herum angeordnet. Eine Reihe phantasievoller Bilder an der Wand verdeutlichte überdies, dass die Außerirdischen bei der Eroberung keineswegs zimperlich vorgehen würden.
    Der Junge hieß Pat, und er war ebenfalls nicht Vincent.
    »Die Welt wird zu Eis erstarren«, ließ sich ein dünner indischer Junge unheilvoll vernehmen. »Extreme Klimaveränderungen bedingen eine neue Eiszeit, die jegliches Leben vernichten wird.«
    Mehrere Stapel mit Zeichnungen von fürchterlichen Unwettern und stichpunktartigen schriftlichen Erklärungen untermauerten seine Weltuntergangsvision. Auf einem Plakat an der Wand war in blauer Schrift zu lesen: »Die nächste Eiszeit kommt bestimmt.«
    Er hieß Vinjay und war, wie der geschätzte Leser möglicherweise bereits vermutet hat, ebenfalls nicht Vincent.
    Ehrlich gesagt waren die meisten der Kinder, die gerade auf der Woodlaw Middle School ihre Projekte an lässlich des zehnten jährlich stattfindenden Schülerfo rums der Wissenschaft präsentierten, nicht Vincent. Es gab zwei Michaels, vier Johns und eine stattliche Anzahl von Jennifers – aber nur einer von ihnen war Vincent.
    Ebendieser Vincent Drear stand hinter seinem Tisch in einer etwas abseits gelegenen Ecke der Turnhalle, direkt neben dem orangefarbenen Getränkeautomaten. Seine abgewetzten Jeans, ein Dorn im Auge seiner Mutter, hat te er ihr bereits zweimal in letzter Minute aus den Händen gerissen, bevor sie im Mülleimer gelandet waren. Er trug ausgetretene, ziemlich schmuddelige Turnschuhe, obwohl seine Eltern blank polierten Lederschuhen den Vorzug gegeben hätten, und ein ausgeleiertes T-Shirt. Alles in allem nichts besonders Auffallendes, dafür aber sehr bequem. Vincent zog gerne bequeme Sachen an. Darin konnte man unangenehme Situationen besser überstehen, beispielsweise das höhnische Kichern der Besucher, die gerade seinen Tischaufbau betrachteten.
    Vincents Tisch war über und über mit Faltblättern und frommen Abhandlungen der Glaubensgemeinschaft sei ner Eltern bedeckt. Außerdem standen dort kleine Plastikfiguren von Jesus Christus, Moses und Abraham, das heilige Triumvirat. Vincent hatte sie rings um einen Mini-Globus angeordnet, direkt neben einem Schild mit der Aufschrift: »Die innere Reinigung«.
    Während seine Mitschüler ihre Untergangsprophezei ungen wie Marktschreier feilboten, saß Vincent zusammengekauert auf seinem Stuhl und hoffte inständig, dass ihn niemand bemerkte.
    »Du hoffst, dass dich niemand bemerkt, stimmt’s?«, sagte Big Tom, der kleinste Schüler der ganzen Schule. Sein weißes Hemd war bis zum Kragen zugeknöpft, und der Anblick seiner scheußlichen rostroten Kordhose löste auf der Stelle heftigen Brechreiz aus. Obwohl sich Big Tom einen Stapel Bücher unter den Po geschoben hatte, konnte man seinen Kopf hinter dem Tisch kaum erkennen.
    »Die Jury dreht gleich ihre Runde«, teilte Big Tom seinem Freund mit.
    Vincent nickte stumm. Er hielt den Blick auf seinen großen Bruder Max geheftet, der eifrig Faltblätter von Vincents Tisch verteilte. Max war ziemlich groß und leg te gesteigerten Wert auf akkurate Kleidung. Er trug ein rotes Hemd und eine Fliege. Sein Scheitel war wie mit dem Lineal gezogen, und die blauen Augen konnte man beim besten Willen nicht anders als stechend bezeichnen.
    Während Max den anderen Schülern Broschüren in die Hände
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