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Daemonenhunger

Daemonenhunger

Titel: Daemonenhunger
Autoren: Timothy Carter
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drückte, predigte er, was das Zeug hielt, um wenigstens eine verlorene Seele auf den rechten Weg zurückzuführen.
    Vincents Familienmitglieder waren alle Anhänger des Triumvirats, einer Glaubensgemeinschaft, die sich erst seit kurzem auf dem religiösen Markt tummelte. Nach deren Lehre hatten die drei Zentralgestalten der Bibel – Jesus, Moses und Abraham – sich zusammengetan und eine Schrift verfasst, die ein für alle Mal die göttlichen Pläne für das Universum enthielt.
    Diese Schrift, das Buch des Triumvirats , war vor drei ßig Jahren in einer Höhle vor den Toren Jerusalems entdeckt worden. Das Buch berichtete von schweren Zeiten, in denen Dämonen die Erde heimsuchten, ihr Unwesen trieben und die Menschen arglistig belogen und in die Irre führten. Einzig und allein die Triumviraten konnten der Menschheit den rechten Weg weisen und sie vor dem Höllenfeuer ewiger Verdammnis retten.
    Vincent hatte seinen Bruder keineswegs um Hilfe gebeten. Ehrlich gesagt hatte er auch gar keinen Stand über die Religion des Triumvirats machen wollen, denn er hielt das Triumvirat für ausgemachten Blödsinn. Allerdings war er klug genug, seine Meinung für sich zu behalten.
    Vincent warf einen Seitenblick zu Big Toms Tisch. Die beiden Freunde hatten eine ganze Woche lang an dem Vulkanmodell aus Pappmache gebastelt, und Vincent war mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Die Bemalung hatte er natürlich selbst übernommen. Steingrau für den Kegel, Rot für die Lavaströme und von der Mitte ab Braun für die Bäume. Der Krater des Vulkanmodells war zehn Zentimeter breit und mit Backpulver gefüllt. Neben dem Vulkan stand eine Flasche mit Essig, der mit dem Backpulver reagieren und einen Vulkanausbruch auslösen sollte. An der Wand hinter Big Tom hing ein Schild mit der Aufschrift: »Vulkankatastrophe«. Der Titel war Vincents Einfall gewesen und wesentlich plakativer als »Eines Tages werden Vulkane mit dicken Aschewolken dafür sorgen, dass die Welt untergeht«, wie er fand.
    Vincent glaubte nicht, dass Vulkane den Weltuntergang auslösen würden. Natürlich verursachten sie bisweilen Wetterumschwünge – er erinnerte sich noch gut an den klirrend kalten Winter vor einigen Jahren, als ein Vulkan in Peru bergeweise Asche ausgespien hatte –, aber ein Vulkan würde wohl kaum jemals genügend Asche in die Luft schleudern, um jegliches Leben auf der Erde zu vernichten.
    Immerhin war ein apokalyptischer Vulkanausbruch erheblich wahrscheinlicher als die Vorstellung, das heili ge Triumvirat könne vom Himmel auf die Erde herabsteigen und den bevorstehenden Weltuntergang ankündigen. Ausgerechnet diese Theorie musste Vincent jedoch vertreten.
    »Findest du es nicht auch eigenartig, dass sich in die sem Jahr alle bloß mit dem Weltuntergang beschäftigen?«, fragte Big Tom wie aus heiterem Himmel.
    »Das Thema ist nun mal vorgegeben«, erwiderte Vin cent und warf einen verdrossenen Blick auf seinen Bru der. »Danach müssen wir uns richten.«
    »Na ja, schon«, antwortete Big Tom. »Trotzdem ist es komisch, dass sich der Direx ausgerechnet so etwas Düsteres ausgesucht hat, oder?«
    Vincent nickte. Dabei wunderte er sich überhaupt nicht. Die Schulleitung schwamm eben auf jeder Modewelle mit.
    Derzeit war der Weltuntergang der letzte Schrei. Wie die meisten Trends war auch dieser wie aus dem Nichts aufgetaucht, aber nach zwei Jahren hatten sich alle ir gendwie an dem Thema festgebissen. Wöchentlich wur den vermeintliche Kometen geortet, die Kurs auf die Erde zu nehmen drohten, oder angebliche terroristische Gruppen entdeckt, in deren Gepäck sich die Bombe befand. Selbst die Wetteransager wurden es nicht müde, auf sonderbare Klimaveränderungen hinzuweisen und diese als Vorbo ten unheilvoller Ereignisse zu deuten.
    Dann gab es da noch die Sekten. Natürlich nannten sie sich niemals Sekten, sondern »Die Hüter des einzig wahren Glaubens« oder so. Man hatte jedenfalls den Eindruck, dass kein Tag verging, an dem die Zeitungen nicht über die Anhänger des »einzig wahren Glaubens« berichteten. Sie machten unermüdlich mit Protestmärschen, Läufen oder Kundgebungen auf sich aufmerksam. Mitunter versammelten sie sich auch vor Arztpraxen oder dem Haus eines Politikers. Außerdem stürmten sie häufig Buchhandlungen, Kinos oder andere Orte, die sündhafte Taten oder Bilder zur Schau stellten.
    Nun warnten natürlich alle Sekten vor dem unmittelbar bevorstehenden Weltuntergang, doch den Anhängern des Triumvirats konnte in dieser
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