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Daemonenhunger

Daemonenhunger

Titel: Daemonenhunger
Autoren: Timothy Carter
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hatten seine Eltern am Ende etwa doch den Nagel auf den Kopf getroffen? Vielleicht gab es tatsächlich Dämonen, die seine Seele vom Glauben des Triumvirats wegführten, mitten hinein in die Feuerkrallen der Hölle?
    Statt weiter über seine eventuell drohende ewige Verdammnis zu grübeln, wandte Vincent sich lieber wieder seinen Eltern zu.
    »Heute gibt es kein Abendessen für dich, mein Jun ge«, sagte seine Mutter. »Es ist nur zu deinem Besten. Du musst endlich begreifen … Oh. Die schon wieder.« Ihre barsche Stimme klang mit einem Mal noch finsterer.
    Vincent blickte durch die Scheibe und sah ein Mädchen auf dem Rasen vor einem kleinen Bungalow. Ihr langes, dunkles Haar war von der Schulter ab dunkelrot, und ihre Kleidung hatte exakt dieselbe Farbe. Sie saß mit geschlossenen Augen auf einer schmalen Decke, die im Schoß liegenden Handflächen nach oben gerichtet.
    »Chanteuse Sloam«, bemerkte Max angewidert.
    »Was macht die denn da?«, wollte seine Mutter wissen.
    »Wahrscheinlich ruft sie böse Geister an«, erwiderte ihr Mann sachkundig.
    »Sie meditiert«, sagte Vincent und beugte sich neugierig vor. Er erinnerte sich noch gut daran, dass Chanteuse immer schon hübsch gewesen war, er hatte jedoch ganz vergessen, wie hübsch.
    Chanteuse hatte oft auf die beiden Brüder aufgepasst, als sie noch klein waren. Max hatte sie nie besonders gemocht, Vincent hingegen hatte sich auf Anhieb mit ihr verstanden. Sie hatte meistens mit ihm gespielt und ihm spannende Geschichten über mystische Energieströme, Astralreisen und fremde Welten erzählt, denen er andächtig gelauscht hatte.
    Er vermisste diese Zeit.
    »Es ist mir vollkommen egal, was diese Hexe treibt«, sagte seine Mutter. »Aber warum kann sie es nicht dort erledigen, wo sie keiner sieht?«
    »Vielleicht sitzt sie einfach gern auf dem Rasen vor ihrem Haus«, erwiderte Vincent.
    »Du gehst jedenfalls in die Kapelle hinunter, sobald wir zu Hause sind«, sagte sein Vater. »Bete um Einsicht, damit du in Zukunft die Botschaft besser und überzeugender predigst. Insbesondere freitags.«
    »Ja, Vater«, antwortete Vincent und blickte wieder geradeaus, weg vom Haus der Familie Sloam.
    »Bleibt es dabei, dass wir heute zum Kino gehen?«, erkundigte sich Max.
    »Aber ja, mein Schatz«, erwiderte seine Mutter. »Wir müssen nur noch schnell deinen Bruder zu Hause abliefern. Holst du die Schilder aus der Garage?«
    »Ja, sehr gern«, sagte Max und lächelte strahlend.
    »Wollt ihr heute Abend allen Ernstes vor dem Kino protestieren?«, fragte Vincent ungläubig.
    »Ja, vorausgesetzt wir sind rechtzeitig da«, erwiderte seine Mutter.
    Familie Drear und auch die anderen Mitglieder des Triumvirats legten im Allgemeinen eine gewisse Zurückhaltung an den Tag, wenn es darum ging, an Protestkundgebungen bei medialen Großereignissen teilzunehmen oder vor Buchhandlungen gegen die Veröffentlichung gewisser Bücher zu demonstrieren. Ihre Zurückhaltung kam nicht etwa daher, dass sie nicht wollten, sondern hing vielmehr damit zusammen, dass ihnen andere Gruppen des wahren Glaubens häufig schlicht zuvorkamen. Sobald es um moralische Entrüstung ging, ließ sich – auch unter Glaubensbrüdern – keiner die Butter vom Brot nehmen, und so blieb Triumviratsanhängern oft nichts anderes übrig, als weniger publikumswirksame Missstände anzuprangern.
    Eines ihrer beliebten Themen war beispielsweise Ak ne. »Denn siehe, ihre heimlichen Sünden lassen sich nicht verbergen«, so stand es im Buch des Triumvirats geschrieben. Daher versammelten sich Triumviratsangehörige häufig vor Parfümerien und Apotheken zu Protestaktionen. Eine weitere Zielscheibe waren Fitnessstudios, da es als Sünde galt, den von Gott gegebenen Körper zu verändern. Die Früchte dieser Kundgebungen waren zwar recht dürftig und beschränkten sich auf verwunderte Seitenblicke, aber für die Mitglieder des Triumvirats zählten einzig der Gedanke und der feste Wille.
    In diesem Sinne war die bevorstehende Aktion vor dem Kino also durchaus etwas Besonderes, denn die Kongregation hatte Gelegenheit, gegen einen neuen, su pererfolgreichen Film zu protestieren. Natürlich nur, wenn sie vor den anderen wahren Gläubigen am Kino waren.
    Die Drears bewohnten ein breites, zweigeschossiges Backsteinhaus. Der Wagen rollte noch in die Auffahrt, als Max auch schon zur Garage stürzte und die Tür aufriss. Darin türmte sich ein ganzer Schilderwald von Plakaten, und für jede Gelegenheit war das Passende dabei. Vincents
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