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Daemonenhunger

Daemonenhunger

Titel: Daemonenhunger
Autoren: Timothy Carter
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brachte. Bisher hatte er noch nicht ein einziges Mal erlebt, dass sie die Konzentration verlor, und er hatte sie nur einmal wütend gesehen …
     
    Vincent war zehn Jahre alt gewesen, als Chanteuse ihm erzählte, wie man einfache Zauber ausführt. Sie ahnte nicht, dass Max zuhörte. Der war daraufhin prompt zu ihren Eltern gerannt, die ihrerseits prompt nach Hause zurückkehrten und Chanteuse prompt feuerten.
    »Wie schamlos!«, sagte Mrs. Drear empört. »Da hat sie doch glatt versucht, meine Söhne dem Teufel zuzuführen.«
    »Du bist ein niederträchtiges, unwürdiges Geschöpf«, fügte der Vater der beiden Jungen hinzu. »Du wirst bis in alle Ewigkeit für deine Sünden in der Hölle schmoren.«
    »Tut mir leid, dass Sie das so sehen«, erklärte Chan teuse gelassen und freundlich. »Ich wollte Ihnen und Ih ren Kindern keineswegs schaden.«
    »Lügnerin!«, blaffte Mr. Drear. »Du willst nur Böses säen unter den Kindern des wahren Glaubens.«
    »Allmählich begreife ich auch«, sagte seine Frau, »wa rum sich deine Mutter nie in der Öffentlichkeit zeigt.«
    »Das ist doch gar nicht ihre richtige Mutter«, erklärte Mr. Drear. »Das Mädchen ist ein Adoptivkind. Vermut lich haben deine richtigen Eltern dich dieser entsetzlichen Sloam vor die Haustür gelegt, als sie gemerkt haben, dass du durch und durch böse bist.«
    Vincent hatte das Gefühl, als würde die Luft ringsum dick und schwer wie Blei. Das Gesicht der stets gleichmutigen Babysitterin verzerrte sich mit einem Mal, und sie glich einer Furie.
    »Miss Sloam ist meine Mutter«, sagte sie mit erhobener Stimme. »Und Sie werden nie wieder in diesem Ton von ihr sprechen. Niemals!«
    »Das hier ist mein Zuhause, und da rede ich, wie’s mir passt«, gab Mr. Drear zurück, aber man sah ihm an, wie erschrocken er war. »Und jetzt raus mit dir. Lass dich hier bloß nie wieder blicken.«
    Daraufhin hatte die tränenüberströmte Chanteuse das Haus verlassen. Vincent wollte protestieren, aber als Max ihm eine Ohrfeige gab, hielt er den Mund.
    »Komm bloß nicht auf komische Ideen«, sagte Max.
    »Dein Bruder hat vollkommen recht«, stimmte sein Vater zu, packte Vincent am Arm und zerrte ihn in den Keller hinunter. »Diese Nacht verbringst du hier unten und denkst über deine Sünden nach.«
    »Wie lange?«, fragte Vincent und rieb sich die brennende Wange.
    »Bis du vom Bösen befreit bist«, erwiderte sein Vater und schob ihn in die Kapelle. »Knie nieder und bitte um innere Reinheit und Vergebung.«
    »Aber ich verstehe das nicht«, wehrte sich Vincent. »Was hat Chanteuse denn getan?«
    »Sie ist eine Hexe«, erklärte sein Vater und warf aufgebracht die Tür ins Schloss. »›Du sollst nicht dulden, dass eine Hexe am Leben bleibt.‹ So steht es in der Schrift des Triumvirats. Sie kann von Glück sagen, dass sie mit heiler Haut davongekommen ist. Und jetzt knie endlich nieder und bete.«
    Folgsam kniete Vincent nieder und betete. Es war nicht das erste Mal, dass sie ihn im Keller einsperrten, und es sollte beileibe nicht das letzte Mal sein.
    In jener Nacht fing Vincent an, sich selbst ernsthaft zu befragen. Welcher Gott, überlegte er verwundert, hätte Chanteuse je für böse halten können? Wenn das Triumvirat Liebe predigte, wie konnten seine Anhänger dann so vieles hassen? Und falls es wirklich Dämonen gab, die Lügen und Bösartigkeiten unter den Menschen verbreiteten, warum hatte sie dann noch nie jemand zu Gesicht bekommen?
    Vincent betete die ganze Nacht hindurch, in der Hoffnung, Antworten auf seine Fragen zu erhalten, aber alles blieb stumm. Je mehr er über das Triumvirat nachdachte, desto sinnloser kam ihm seine ganze Lehre vor. Damals begriff Vincent es noch nicht – die Wahrheit dämmerte ihm erst in den folgenden Wochen und Monaten –, aber seine Zeit als Anhänger des Triumvirats war endgültig abgelaufen.
     
    Da Vincent Chanteuse nicht stören wollte, ließ er sich ihr gegenüber auf dem Rasen nieder und wartete geduldig. Seit dem Zwischenfall mit seinen Eltern hatten sie keinen Kontakt mehr. War sie überhaupt bereit, mit ihm zu sprechen?
    »Hallo, Vincent«, sagte Chanteuse, ohne die Augen zu öffnen.
    »Oh, hallo«, erwiderte der Junge leicht verwundert, wenn auch im Grunde nicht ernsthaft überrascht. »Wie hast du mich erkannt?«
    »Ich habe deine Energie gespürt«, gab sie zurück. »Je des Wesen hat eine unverwechselbare Aura, das habe ich dir doch schon mal erklärt.«
    »Ja, stimmt, jetzt fällt es mir wieder ein«,
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