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Hotel der Sehnsucht

Hotel der Sehnsucht

Titel: Hotel der Sehnsucht
Autoren: Michelle Reid
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1. KAPITEL
    Andre Visconte hatte die Party, die ein Freund aus Anlass der Eröffnung seines neuen Nobelrestaurants gegeben hatte, später verlassen als vorgesehen.
    Doch anstatt direkt nach Hause zu fahren, war er noch einmal in sein Büro zurückgekehrt.
    Dort hatte er sich einen Whiskey eingeschenkt, den Kragen seines blütenweißen Hemdes geöffnet und sich in seinem Chefsessel zurückgelehnt.
    Nicht zum ersten Mal verfluchte er die Zeitverschiebung zwischen Europa und Amerika, die es mit sich brachte, dass er sich die halbe Nacht um die Ohren schlagen musste, um den Anruf aus Paris entgegenzunehmen.
    Dabei war es im Grunde genommen egal, ob er die Nacht in seinem Büro, seinem New
    Yorker Apartment oder in einer der anderen Wohnungen verbrachte, die er in fast allen Metropolen der Welt besaß. An Schlaf war in letzter Zeit ohnehin kaum zu denken.
    Was, wie Andre zugeben musste, mittlerweile deutliche Spuren hinterlassen hatte. Nicht nur auf seinem Gesicht, dessen Züge trotz des dunklen Teints viel zu hart waren, als dass es zu einem erfolgreichen, weltweit tätigen Unternehmer von vierunddreißig Jahren passen wollte.
    Schlimmer war der Schmerz, den er noch immer verspürte. Immerhin war es jetzt ein ganzes Jahr her, dass Samantha ...
    Allein ihr Name trieb ihm heute noch die Zornesröte ins Gesicht - weshalb es seine Angestellten längst nicht mehr wagten, sie auch nur mit einer Silbe zu erwähnen.
    Doch auch das konnte nicht verhindern, dass sich in Momenten wie diesem unwillkürlich die Erinnerung an jenen Tag einstellte, an dem Samantha wortlos aus seinem Leben
    verschwunden war. Und mehr noch als die Tatsache selbst quälte Andre, dass er nicht die leiseste Ahnung hatte, warum sie ihn verlassen hatte.
    Entsprechend widersprüchlich waren seine Gefühle, die von unendlicher Trauer bis zur kalten Wut reichten - nicht zuletzt auf sich selbst, weil er sie hatte gehen lassen.
    Das Schlimmste war jedoch die Verbitterung darüber, dass sie ihn verlassen hatte. Nicht selten wünschte er, er wäre ihr nie begegnet. Doch wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass er sie einfach nur vermisste. Ohne Wenn und Aber. Und manchmal vermisste er sie so sehr, dass er darüber den Verstand zu verlieren drohte.
    Vorhin auf der Party zum Beispiel. Seit langer Zeit war es Andre endlich wieder einmal gelungen, sich im Kreise von Freunden und Kollegen wohl zu fühlen und unbeschwert zu amüsieren. Jedenfalls bis zu dem Moment, in dem eine rothaarige Schönheit den Raum betrat und ihn unwillkürlich an Samantha denken ließ.
    Schlagartig hatte sich seine Laune ins Gegenteil verkehrt, und weil nicht jeder merken musste, wie es um ihn stand, hatte er die Party umgehend verlassen und war zu seinem Büro gefahren.
    Dort saß er nun und wartete auf den Anruf aus Übersee, während er abwechselnd
    Samantha und sich selbst dafür verfluchte, dass sie solch eine Macht über ihn hatte.
    Gierig leerte er das Glas, als könnte der hochprozentige Drink die Erinnerung an sie endlich auslöschen. Zwölf Monate, ein ganzes, elendes Jahr, schon wartete er auf ein Lebenszeichen von Samantha, doch sie schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Und außer dem Bild von ihr, das Andre in seinem Kopf mit sich herumtrug und auch jetzt wieder vor Augen hatte, deutete nichts darauf hin, dass es sie je gegeben hatte.
    Das Klingeln des Telefons riss ihn aus seinen Gedanken. Widerwillig stellte er das Glas ab und räusperte sich einige Male, damit ihm seine Gemütsverfassung nicht allzu deutlich anzuhören wäre.
    „Visconte", meldete er sich, nachdem er endlich den Hörer abgenommen hatte. Doch statt eines fröhlichen „Bonjour" der Sekretärin seines Pariser Büros vernahm er die Stimme seines Freundes Nathan Payne, dem Leiter der englischen Niederlassung seiner Firma.
    „Nathan", erwiderte Andre barsch, „warum, zum Teufel, rufst du mitten in der Nacht..."
    „Wirklich?" Schon bei den ersten Worten war Andre hellwach. Er sprang aus dem Sessel auf und starrte mit seinen dunkelbraunen Augen ins Leere. Kaum brachte er die Geduld auf, Nathan ausreden zu lassen, obwohl der sich nach Kräften bemühte, sich so kurz und präzise wie möglich zu fassen.
    „Wo?" unterbrach er ihn voller Ungeduld. „Wann?" fragte er dazwischen. Doch erst als Nathan seinen Bericht beendet hatte, wagte es Andre, die alles entscheidende Frage zu stellen: „Bist du dir auch wirklich sicher?"
    Als er die Antwort vernahm, setzte er sich vorsichtshalber wieder in den Sessel. Er hielt
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