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Daemonenhunger

Daemonenhunger

Titel: Daemonenhunger
Autoren: Timothy Carter
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erwiderte Vincent. »Hör mal, falls du noch länger …«
    »Ich bin gerade fertig«, sagte sie und schlug die Augen auf. Sie waren smaragdgrün, und Vincent hätte Stein und Bein schwören können, dass sie leuchteten. »Die Erde ist ruhelos und verwirrt. Genau wie du.«
    »Mir geht’s gut«, sagte Vincent, während sie aufstand und ihre kleine Decke aufhob. »Aber ich muss dich unbedingt etwas fragen.«
    »Lass uns ins Haus gehen«, schlug sie vor. »Wir trinken Tee und unterhalten uns auf der Veranda.«
    Der Junge folgte ihr in den kleinen Bungalow, der aus zwei Schlafzimmern, einem Wohnzimmer, einer Küche und dem winzigen Keller bestand. Chanteuses Mutter, Miss Sloam, saß auf dem Sofa im Wohnzimmer, direkt gegenüber der Haustür, und schlummerte. Sie war groß und stattlich.
    Vincent betrat Chanteuses Zuhause zum ersten Mal und fragte sich kurz, ob sie ihn vielleicht aus Verlegenheit nie hereingebeten hatte. Seine Mutter hatte einmal behauptet, arme Leute schämten sich oft ihrer Armut. Vincent verwarf den Gedanken augenblicklich. Er konn te sich einfach nicht vorstellen, dass Chanteuse je in Verlegenheit geriet.
    »Kannst du das Wasser aufsetzen?«, bat sie ihn. »Ich hole uns rasch frische Teebeutel aus dem Keller.«
    »Klar, kein Problem«, sagte Vincent.
    Er füllte den Wasserkocher, steckte den Stecker ein und machte sich auf die Suche nach Milch, Zucker und zwei Tassen. Die Milch war im Kühlschrank, wo sie hingehörte, und die Tassen standen im Küchenschrank, wo sie ebenfalls hingehörten.
    Der Zucker war etwas schwerer zu finden, aber als Vincent ihn schließlich entdeckte, hatte er keinerlei Interesse mehr daran. Er hatte eine Schranktür geöffnet und im untersten Regal eine große Tüte mit Zucker gesehen, als sein Blick auf ein sonderbares Geschöpf fiel, das eindeutig nicht in ein Küchenschrankregal gehörte.
    Das Wesen war klein und dünn, hatte mandelförmige Augen und längliche rosafarbene Schlappohren, die aussahen wie Wiener Würstchen. Im Grunde genommen glich es aufs Haar dem Wesen, das er am Morgen in der Schule bemerkt hatte.
    Es blickte ihm dreist in die Augen.
    »Hey, lass mich gefälligst in Ruhe«, sagte es. »Oder siehst du etwa nicht, dass ich gerade esse?«

 
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Vincent starrte fassungslos auf das, was da im Küchenschrankregal seiner ehemaligen Babysitterin saß. Er hatte keine Ahnung, wie er sich verhalten sollte. Er hatte Chanteuse aufgesucht, weil er mit ihr über das merkwürdige Wesen in der Schule hatte reden wollen – und nun saß eines, das diesem zum Verwechseln ähnelte, einfach mir nichts, dir nichts zwischen den Vorräten auf dem Bord. War das nun ein Dämon oder nicht? Ein Beweis gar für die Existenz des Triumvirats? Vincent hätte es brennend gern gewusst, aber im Augenblick stand er bloß wie angewurzelt da. Vor Schreck hatte es ihm die Sprache verschlagen.
    »Hast du ein Glotzproblem, oder warum starrst du so?«, fragte das Wesen unhöflich.
    »Tja, äh, kann schon sein«, stotterte Vincent und riss sich dann energisch zusammen. »Vielleicht kannst du mir verraten, wer oder was du bist? Das würde mir bestimmt helfen.«
    »Ich bin ein magisches Geschöpf«, erklärte das Wesen von oben herab, »und lasse mich nicht gern beim Essen stören. Nimm dich in Acht vor meinem Zauberpuder.« Damit warf es Vincent eine Handvoll Zucker ins Gesicht.
    »Hey!«, rief der Junge empört, taumelte rückwärts und blinzelte den Zucker aus den Augen.
    Das Wesen hüpfte mit einem Satz auf den Boden und flitzte zwischen Vincents Beinen hindurch zur Hintertür. Es war beinahe zur Tür hinaus, als Chanteuses Hand wie aus dem Nichts hervorschnellte und es an einem seiner langen rosafarbenen Schlappohren langsam in die Höhe hob.
    »Hilfe!«, schrie das Wesen. »Lass mich los! Du tust mir weh!«
    »Habe ich dir nicht gesagt, dass du dich nicht im Haus blicken lassen sollst?«, fragte Chanteuse, als das Wesen auf Augenhöhe vor ihr baumelte.
    »Was ist denn da drüben bei euch los?«, fragte Miss Sloam aus dem Wohnzimmer.
    »Ich habe gerade ein ernstes Wörtchen mit einem der Waldleute zu reden«, antwortete Chanteuse.
    »Schon wieder?«, sagte ihre Mutter. »Wir brauchen unbedingt einen Exterminator.«
    »Was«, fragte Vincent, »ist das denn für einer?«
    »Ich bin nicht irgendeiner«, protestierte das Wesen und versuchte sich zappelnd aus Chanteuses Griff zu befreien. »Ich bin ein mächtiges magisch begabtes
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