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Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)

Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)

Titel: Shadow Guard: Wenn die Nacht beginnt (German Edition)
Autoren: Kim Lenox
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Prolog
    Im Armenviertel von Spitalfields
    London
    April 1887
    »Zeigen Sie sich, Mr Winslow.« Archer stieg aus dem Treppenhaus auf das dunkle Dach des Mietshauses. »Zeit zu sterben.«
    Der schneidende, unbarmherzige Wind ließ seine Rockschöße flattern. Er ging zwischen halb verfallenen Schornsteinen und Müllhaufen hindurch und mied die Bereiche mit eingesackter Dachpappe und verfaulten Balken. Sie konnten einstürzen und ein achtloseres Wesen in das schwarze Vergessen des verlassenen Gebäudes darunter einbrechen lassen. Er zog die Lederhandschuhe aus und stopfte sie sich in die Rocktaschen. Ein weiterer Windstoß wehte ihm die langen Haare aus dem Gesicht. Mit einem tiefen Atemzug kostete er den Duft von Furcht in der Luft.
    »Wie ungehobelt, einfach wegzulaufen und sich zu verstecken, nachdem ich die weite Reise gemacht habe, nur … um Sie … zu sehen. « Dies war der Teil der Jagd, der ihm am besten gefiel – die köstliche, langsame Folter seiner Beute unmittelbar vor der endgültigen Vollstreckung. Er konnte sich dafür entscheiden, zu einem Schatten zu werden und kurzen Prozess zu machen, aber nein – etwas so Verkommenes wie Winslow verdiente es, gründlich das Fürchten gelehrt zu bekommen.
    Archer schloss die Augen und beschwor die Verwandlung in seine Kampfgestalt herauf. Hitze versengte ihm die Haut und strömte durch seine Adern. Als er die Augen wieder öffnete, wusste er, dass sie nicht mehr grau waren, sondern vollkommen schwarz. Er spreizte die Finger. Acht Klauendolche zischten heraus, die ihm fast bis zu den Knien reichten. Ihre Klingen bestanden zu gleichen Teilen aus Feuer und urtümlichem Silber.
    Am Südrand des Dachs war ein Stapel Ziegelsteine in sich zusammengefallen. Trotz des dichten Nebels und der sternenlosen Nacht brauchte Archer kein Licht, um selbst die winzigste Einzelheit ausmachen zu können. Um die Ziegelsteine herum vibrierte die Luft förmlich. Knurrend überwand er die Entfernung mit einem einzigen Sprung und zertrümmerte den Stapel mit einem Schlag.
    Taumelnd stand Winslow da. Obwohl er die Statur eines Herkules hatte, klang sein Schrei so hell wie der eines Kindes. Überraschenderweise hatte er etwas Ungestümes aus wollenen Röcken, schlanken Gliedern und hellem Haar bei sich.
    Archer stieß einen Fluch aus, und sein Vergnügen an der Jagd war dahin. Er hatte niemanden außer Winslow wahrgenommen. Wie konnte das sein? Nie zuvor war ihm ein so schwerwiegender Fehler unterlaufen. Mit finster gerunzelter Stirn trat er vor.
    »Was zur Hölle sind Sie?« Winslow riss vor Entsetzen die Augen auf, als er zuerst Archers Klauen und dann die Pupillen erblickte. Er selbst hatte scharlachrote Striemen auf der Wange, ein Hinweis auf die Wehrhaftigkeit der jungen Frau in seiner Gewalt. »Ein Dämon oder der Teufel persönlich?«
    Winslow zerrte das Mädchen auf den Rand des Dachs zu.
    »Lassen … Sie … mich … los! « Sie versetzte ihm einen Kinnhaken. Ihre Unterlippe war verfärbt und geschwollen, einer ihrer Ärmel flatterte zerrissen im Wind.
    Archer zischte. Wie sollte er an Winslow herankommen, ohne das Mädchen zu opfern?
    Unter Winslows Absatz gab die morsche Dachpappe nach. Er rollte mit seiner Gefangenen über den Boden, fing sich schnell und legte der jungen Frau einen Arm um die Brust. Mit dem anderen presste Winslow ihr die Kehle zusammen und zerrte sie rückwärts zum Sims.
    Unter ihnen lag das Armenviertel in rußiger Dunkelheit. Ungeachtet der Gefahr ruderte das Mädchen mit den Armen und trat mit ihren nackten Füßen nach den Schienbeinen des Rohlings.
    »Hör auf, gegen mich zu kämpfen, du Miststück!«, zischte Winslow zwischen vergilbten und abgebrochenen Zähnen hervor. Auf dem schmalen Sims aus bröckelndem Mörtel rang er um sein Gleichgewicht.
    Archer hielt inne. Ein Sturz würde für beide tödlich sein. Winslow scherte ihn nicht – nichts konnte den Mistkerl jetzt noch retten –, aber er wollte von den Ahnen nicht für den Tod einer Unschuldigen verantwortlich gemacht werden.
    »Ich hoffe, er bringt Sie um«, rief das Mädchen, zerkratzte seine Hände und versuchte, ihren Griff zu lösen. »Ich hoffe, er bringt Sie um für das, was Sie mir angetan haben. Und für das, was Sie den anderen angetan haben.«
    »Halt’s Maul.« Winslow drückte sie an sich wie ein wildes Tier, das seine Beute verteidigt. Das Sims gab etwas nach. Stein- und Mörtelbröckchen rieselten heraus. »Bevor ich mich von diesen widerlichen Klingen zerschneiden lasse, springe
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