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Der Insulaner

Der Insulaner

Titel: Der Insulaner
Autoren: John Maddox Roberts
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fortwährend über diese Arbeit, konnten es aber insgeheim kaum erwarten, sie auszuführen, denn so ergab sich die Gelegenheit, sich vor den Frauen zu brüsten und mit ihnen zu schäkern. Nahte der Tag, an dem sie die Bruderschaft verließen, um den Rang eines älteren Kriegers anzunehmen, machten sie der Auserwählten ernsthaft den Hof.
    Hael ging auf das Feuer zu, das unweit der Hütte brannte, die er sich mit Danats teilte und stieß den Speer neben einem hölzernen Hocker in den Boden.
    Die schlichten Sitzgelegenheiten waren Eigentum der Bruderschaft. Als Hael sich setzte, reichte ihm einer der drei jungen Krieger, die um das Feuer saßen, eine flache Schale mit Kaggamilch. Die Kuh war gerade erst gemolken worden, und die Milch war noch warm. Da es an diesem Abend Fleisch gab, hatte man dem Getränk nicht das Blut eines Kalbes beigemischt, das den jungen Tieren abgezapft wurde.
    »Bei wem dürfen wir uns bedanken?« erkundigte sich Hael und deutete auf die Fleischbrocken, die an Spießen über dem Feuer schmorten.
    »Bei den Pelzschlangen«, antwortete Raba und polierte sein Bronzemesser, das sein ganzer Stolz war. »Bei dem gestrigen Sturm wurden zwei Jährlinge vom Blitz erschlagen.« Er grinste, und eine Zahnlücke wurde sichtbar. »Ihr Unglück ist für uns von Vorteil.«
    Das Fleisch der umgekommenen Tiere wurde innerhalb des Stammes aufgeteilt. Die älteren Krieger und die Stammesältesten erhielten die besten Stücke, aber die Bruderschaft, deren Herde den Verlust erlitten hatte, ging leer aus. Die Pelzschlangen mussten sich Asche aufs Haupt streuen, drei Tage lang fasten – und sie durften nur Wasser trinken.
    Hael zog einen der Spieße heran und sog prüfend den Duft des Fleisches ein, ehe er ihn wieder zurück über das Feuer hängte. Obwohl die Hirten das Blut lebender Tiere tranken, fürchteten sie sich, halbgares Fleisch zu essen, da es unter Umständen noch einen winzigen Rest des Kaggageistes enthalten konnte. Diese Geister waren mitunter missgünstig und widersetzten sich dem Verzehr. Ihre Rache konnte sowohl recht harmlos als auch tödlich und qualvoll ausfallen.
    Inzwischen war es fast völlig dunkel, doch die Wolken, die sich im Westen hoch auftürmten, wurden von Zeit zu Zeit durch grelle Blitze erhellt. Aus der Ferne erscholl Donnergrollen, das allmählich näher kam.
    Während eines heftigen Sturms verwandelte sich das dumpfe Grollen in ein schweres Dröhnen, als würden unzählige Krieger fortwährend ihre Trommeln bearbeiten. Sechs Monate im Jahr regnete es beinahe in jeder Nacht. Diese Regenfälle wurden oftmals von heftigen Sturmwinden begleitet. Aus diesem Grund wurden die Inseln und das nahe gelegene Festland als Sturmland bezeichnet.
    Hael hob den Kopf und roch den Regen, der vom Wind herangetrieben wurde. »Noch zwei Monde lang diese Westwinde! Die ganze Zeit über kommen keine Boote der behaarten Leute zu uns.«
    Luo lachte und warf mit ausgerupften Grashalmen nach ihm. »Hael möchte ein Geisterbeschwörer werden! Er wirft bereits mit Prophezeiungen um sich und erzählt uns, wann der Ostwind sich zeigt, obwohl wir schon im Mutterleib darüber Bescheid wussten. Haben die Geister dir noch andere wichtige Neuigkeiten mitgeteilt, Bruder?«
    Hael stimmte in das Gelächter der anderen jungen Männer ein, konnte ihre Unbeschwertheit aber nicht teilen. Dadurch unterschied er sich von den Gefährten. Es war allgemein bekannt, dass Hael alles viel zu ernst nahm und Dingen Wichtigkeit beimaß, die von den übrigen Kriegern als nebensächlich abgetan wurden. Manchmal war er der Meinung, dass er wirklich ein Geisterbeschwörer hätte werden sollen, aber das war unmöglich. Kein Knabe, dessen Eltern gestorben waren, durfte bei einem Geisterbeschwörer in die Lehre gehen.
    »Wer sonst macht sich wegen der Männer mit den behaarten Gesichtern Gedanken?« warf Raba ein. »Oder wegen anderer Menschen, die kein Vieh besitzen? Nur Hael. Ob ihr es glaubt oder nicht, ich habe ihn einmal mit einem Bauern reden sehen, als handele es sich um einen ehrenwerten Mann.«
    Die jungen Männer rissen in gespieltem Staunen die Augen weit auf. »Nein!« rief der dritte Krieger, dessen Name Pendu war. »Nicht einmal Hael würde sich dazu herablassen. Vielleicht hat der Furchenzieher eine hübsche Tochter.«
    »Ich muss über die Taten unserer Nachbarn und Besucher Bescheid wissen«, erklärte Hael. »Eines Tages werde ich zum Ältestenrat gehören, dann muss ich euch alle leiten und führen, weil ihr alt und fett
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