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Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Titel: Slow Travel: Die Kunst Des Reisens
Autoren: Dan Kieran
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Einleitung
von Tom Hodgkinson
    Müßiggang und Reisen scheinen auf den ersten Blick nicht unbedingt zusammenzugehören. Der Müßiggänger ist von Natur aus ein häuslicher Typ, der gerne vor dem Kamin herumlungert und es vermutlich bevorzugt, die Länder der Antike mittels Landkarten und Büchern zu erkunden, anstatt die Mühe auf sich zu nehmen, tatsächlich auf Reisen zu gehen. Wie Pascal so klug bemerkte, geht »alles Unheil dieser Welt davon aus, dass die Menschen nicht still in ihrer Kammer sitzen können«. Sobald man das Haus verlässt, fängt der Ärger an. Das englische Wort travel geht angeblich auf einen Begriff zurück, der ein »dreizinkiges Folterinstrument« bezeichnete.
    Und dennoch … Trotz der offenkundigen Unannehmlichkeiten des Reisens kann der Müßiggänger dazu bewegt werden, sein Zimmer zu verlassen. Der Müßiggänger ist auch ein Wanderer, ein Herumstreuner, ein Beobachter des Lebens, und einige der berühmtesten Müßiggänger waren ebenfalls große Reisende und Reiseschriftsteller. Ich denke dabei an den von Natur aus trägen Dr. Johnson, der jeden Tag bis mittags im Bett zu liegen pflegte und dennoch in Begleitung des jungen Boswell eine beherzte und gelegentlich beschwerliche Reise in die schottischen Highlands unternahm. Ein weiteres Beispiel wäre Robert Louis Stevenson, der in einem Essay, den er mit 26 Jahren verfasste,den Müßiggang in wunderbaren Worten pries und trotzdem ein Reisender war. Sein Buch Reise mit dem Esel durch die Cévennen ist ein Meisterwerk, und er hat vermutlich Paul Theroux, einen der größten Reiseschriftsteller unserer Tage, maßgeblich beeinflusst.
    Reisen und Müßiggang sind also enger miteinander verbunden, als man meinen würde. Vielleicht wäre es zutreffender, wenn man sagen würde, dass der Müßiggänger eine Abneigung gegen jene Handelsware hat, die heutzutage als Reisen verkauft wird, nämlich den Urlaub. Nicht dass wir den Tourismus per se kritisieren wollen – schließlich ist es angenehm, ziellos durch eine italienische Stadt zu schlendern oder an einem heißen Strand am Meer zu liegen. Doch ein solcher »Holiday in the Sun« hat vielleicht auch etwas Unbefriedigendes an sich, wie die Sex Pistols vor Urzeiten zu bedenken gaben. Er ist ein Trugbild, und ein kostspieliges noch dazu. Er ist eine mickrige Belohnung, ein Trostpreis für jene, die in einem langweiligen Job feststecken.
    Dasselbe ließe sich von dem überstrapazierten Wort »Erlebnis« behaupten. Anstatt uns dem komplizierten Projekt zu widmen, gut zu leben, neigen wir dazu, uns für ein Dasein in Arbeit und Langeweile zu entscheiden, das von hyper-dynamischen »Erlebnissen« unterbrochen wird, die wir von einer Liste abhaken können. Wir kennen alle diese Listen der »hundert Dinge, die man im Leben getan haben sollte« aus den Männermagazinen. Einen Ferrari fahren, zum Pferderennen in Ascot gehen, bei der Rallye Paris–Dakar mitmachen, am Cannabis Cup in Amsterdam teilnehmen und so weiter ad nauseam . Leider ist Dave Freeman, der dieses Konzept erfunden hat, bereits mit siebenundvierzig gestorben.
    Ich begegnete Dan Kieran zum ersten Mal, als er in das Büro des Idler Magazine stolperte, das sich damals imLondoner Stadtteil Camden befand. Wir gaben dem munteren Burschen etwas zu tun, und er kam immer wieder, um auszuhelfen. Mit der Zeit wurde er zu einem Teil des Idler , und schließlich war er viele Jahre lang stellvertretender Chef-redakteur. Im Büro hatten wir immer viel Spaß und führten jede Menge philosophische Diskussionen; ich bilde mir gern ein, dass Dans Jahre beim Idler dazu beigetragen haben, die philosophische Haltung zu prägen, aus der heraus dieses Buch entstanden ist.
    Dan macht in diesem Buch den Versuch, eine spezielle Philosophie des Reisens zu entwerfen, in der das Reisen zu einem Teil eines persönlichen therapeutischen Prozesses wird, anstatt nur eine Flucht zu sein. Demnach wäre die Behauptung zutreffend, dass das müßige Reisen weder bequem noch einfach ist. Dan empört sich nämlich besonders über die seelische Abstumpfung, die durch schicke Hotels verursacht wird. Und es handelt sich dabei auch nicht notwendigerweise darum, langsam zu reisen, da die tatsächliche Geschwindigkeit einer Bewegung relativ ist. Einem florentinischen Apotheker aus dem Jahr 1450 wäre eine Zugfahrt unvorstellbar schnell erschienen. Das müßige Reisen hat nichts mit »Spaß« im modernen Sinne zu tun, was nichts anderes heißt, als dass wir unseren Alltagssorgen
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