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Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist

Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist

Titel: Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist
Autoren: Noam Shpancer
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Sie?«
    Sie zupft an einer losen Haarlocke, beißt sich auf die Lippen. »Es ist komisch, hier mit Ihnen zu sitzen. Seltsam.«
    »Seltsam.«
    »Nach der Show und so … Sie sind mein Psychologe. Sie haben mich nackt gesehen.«
    »Ich habe gesehen, wie Sie sich Ihren Ängsten gestellt haben. «
    Ihr Blick begegnet dem seinen. »Ich habe mich entschieden«, sagt sie unvermittelt. Sie beugt sich vor; ihr Gesicht hellt sich auf, ihre Pupillen sind geweitet. Ihre Haut verströmt den frischen Duft zarter Seife.
    »Sich entschieden?«
    »Ja. Ich höre mit dem Tanzen auf. Ich habe mich am örtlichen College eingeschrieben. Ich werde anfangen zu studieren, an der Abendschule. Ich werde einen Job als Kellnerin finden oder so was. Ich habe einen Anwalt angerufen. Ich werde ein neues Kapitel aufschlagen. Sie hatten recht. Ich habe mir selbst etwas vorgemacht. Wissen Sie, nach dem Abend im Club hat sich etwas für mich verändert. Ich habe getanzt, Sie haben mich
gesehen, aber es war nicht mehr dasselbe wie früher. Plötzlich kam mir alles schmutzig vor. Ich habe kein Machtgefühl empfunden. Ich konnte nicht dorthin zurückkehren, wo ich vorher gewesen war. Es war seltsam, wie eine künstliche Blume, die echt aussieht, es aber nicht ist und in Wirklichkeit mit einer echten Blume nichts zu tun hat. Verstehen Sie, was ich meine? Plötzlich kam mir alles vor wie aus Plastik, die Tische, die Stühle, die Vorhänge und die Menschen und die Kostüme und ich mir selbst auch; Plastik, alles Plastik, farbenfroh, aber tot. Alles war tot. Es war so ein Bauchgefühl. Plötzlich sah ich mich selbst von außen, ich sah all diese Leute an und erkannte es ganz deutlich. Ich brauche sie nicht. Wie Sie sagten, ein Auto mit Scheinwerfern braucht sich nicht auf die Straßenlaternen zu verlassen. An diesem Abend habe ich mich entschieden wegzugehen. Der Sache ein Ende zu setzen.«
    »Ich verstehe. Und was sind die Risiken Ihrer Entscheidung? «
    »Risiken? Ich weiß es nicht. Es ist mir egal. Risiken gibt es überall. Wer weiß, was passiert? Wenn Bora mich drankriegen will, dann soll er es versuchen. Soll er doch zur Polizei gehen. Ich werde mich gegen ihn zur Wehr setzen. Sie werden als Zeuge für mich aussagen, nicht wahr? Ich habe auch einiges gegen ihn in der Hand. Ich werde nicht in Angst leben, nicht seinetwegen, nicht meines Vaters wegen, nicht meiner Erinnerungen wegen, nicht wegen meiner Schwiegermutter, dieser Hexe. Sollen sie doch alle gegen mich vorgehen. Ich nehme es mit jedem von ihnen auf. In Freiheit leben oder sterben, sage ich. Keine weiteren Entschuldigungen mehr. Und ich habe keine Angst. Die Angst ist tot. Als wir hier anfingen, sprachen wir darüber, dass ich mich benehme wie jemand, der nicht auf sich achtet, der sich selbst geringschätzt, wie Sie sagen; und ich denke,
nachdem ich das begriffen hatte, habe ich zunächst weitergemacht und es dann allmählich eingesehen, und jetzt komme ich plötzlich wie von der anderen Seite wieder. Jetzt ist es mir egal, denn ich habe etwas, das mir wichtiger ist; Michelle, meine Kleine. Sie wird ihr Leben nicht bei dieser Hexe und diesem betrunkenen Widerling verbringen. Das ist es. Das ist es, was mir klar geworden ist.«
    »Sie klingen positiv, voller Energie, sehr entschlossen.«
    Sie nickt. »Ich bin heute energiegeladen aufgewacht, als würde ich schweben.«
    »Es ist schön, Sie so zu sehen, zielstrebig und entschlossen«, sagt er. »Und um sicherzugehen, dass Ihre Entscheidungen wirklich zum Ziel führen, dass Sie echte Fortschritte machen, müssen Sie den nächsten Schritt tun, und der wäre?«
    Sie rutscht unruhig auf dem Sofa hin und her. »Und der wäre? Das verstehe ich nicht.«
    »Manchmal entscheiden wir uns, auf eine bestimmte Art und Weise zu handeln, weil das Ziel attraktiv ist. Ein andermal wollen wir unbedingt handeln und suchen uns ein Ziel, um diesen Wunsch zu rechtfertigen.«
    »Erklären Sie das.«
    »Ich möchte wissen, ob Sie Ihren Entschluss wirklich aus allen Richtungen genau überdacht haben.«
    »Aus allen Richtungen?«, fragt sie achselzuckend. »Ich kenne nicht alle Richtungen. Ich kenne nur eine Richtung.« Sie greift nach ihrer Tasche, wühlt nervös darin herum und zieht ein Foto ihrer Tochter hervor. Sie zeigt ihm das Bild, schiebt es dicht vor ihn hin. »Das ist meine Richtung.«
    »Das ist Ihr Motiv, und es ist stark und es wert, aber ein starkes Motiv, wie ein starkes Licht, kann uns blenden …«
    Sie zieht die Stirn in Falten. »Warum hacken Sie auf
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