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Der Gott seiner Vaeter

Der Gott seiner Vaeter

Titel: Der Gott seiner Vaeter
Autoren: Jack London
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Frau in Deckung, wo sie die Gewehre für die Männer laden konnte, und kommandierte:
    »Feuer!« Der Medizinmann fiel. Einen Augenblick war es ganz still. Dann aber ertönte ein wütendes Geheul, und ein Schwarm von Knochenpfeilen flog auf sie los, ohne sie jedoch zu treffen.
    »Ich möchte den Kerl wohl sehen«, meinte Bill und preßte eine neue Patrone in die Kammer. »Ich möchte darauf schwören, daß ich ihn genau zwischen die Augen getroffen habe.«
    »Das hilft nichts!« Stockard schüttelte düster den Kopf. Baptiste hatte offenbar den Eifer der Kriegerischsten seines Gefolges gedämpft, und statt einen Angriff in dem hellen Tageslicht zu bewirken, hatte der Schuß eine hastige Auswanderung zur Folge. Die Indianer zogen sich aus der Feuerlinie hinter das Dorf zurück.
    In seinem Eifer, Proselyten zu machen, würde Sturges Owen sich, von Gottes Hand geleitet, in das Lager der Ungläubigen gewagt haben, ebenso vorbereitet auf ein Wunder wie auf einen Märtyrertod, aber in der jetzt eintretenden Pause schwand das Fieber der Überzeugung, je mehr der Mensch in ihm sich geltend machte. Physische Angst verdrängte die geistige Hoffnung; die Liebe zum Leben die Liebe zu Gott. Dies war ihm nichts Neues. Er konnte fühlen, wie die Schwäche ihn überkam, und er kannte sie aus alter Zeit. Er hatte sie früher schon oft bekämpft und war von ihr überwältigt worden. Er erinnerte sich, wie die andern einmal wie wütend ihre Paddeln auf der Flucht vor einem rauschenden Eisstrom geschwungen hatten und er selber, wahnsinnig vor Angst vor den Dingen dieser Welt, seine Paddel fortgeworfen und Gott verzweifelt um Gnade angefleht hatte. Es gab noch andere Zeiten, an die er sich nicht gern erinnerte. Es erfüllte ihn mit Scham, daß der Geist so schwach und das Fleisch so stark war. Aber die Liebe zum Leben! Die Liebe zum Leben! Er konnte sich nicht von ihr losmachen. Sie war es, kraft deren seine Vorfahren in dunkler Vergangenheit ihr Geschlecht fortgepflanzt hatten, kraft deren auch er bestimmt war, sein Geschlecht fortzupflanzen. Sein Gott, wenn man es Gott nennen konnte, hatte seine Wurzel im Fanatismus. Stockards und Bills Gott war erzeugt durch die Ideale in der Tiefe ihrer Seele. Nicht, daß die Liebe zum Leben in ihnen geringer gewesen wäre, aber ihre Liebe zu den Traditionen der Rasse war größer, nicht, daß sie sich nicht vor dem Tod gefürchtet hätten, aber sie waren tapfer genug, sich nicht das Leben erkaufen zu wollen, wenn sie nur mit Schande weiterleben konnten.
    Der Missionar erhob sich, plötzlich von dem Drange erfüllt, ein Opfer zu bringen. Er begann über die Barrikade zu kriechen, um sich in das andere Lager zu begeben, sank aber zitternd wieder zurück und klagte: »Wie der Geist führt! Wie der Geist führt! Wer bin ich, daß ich mich über Gottes Urteil hinwegsetzen sollte? Ehe die Grundfesten der Welt gelegt wurden, standen alle Dinge im Buch des Lebens geschrieben. Wurm, der ich bin, soll ich diese Seite des Buches oder einen Teil davon auslöschen? Wie Gott will, wird der Geist mich führen!«
    Bill beugte sich über ihn, hob ihn auf und schüttelte ihn wütend, ohne ein Wort zu sagen. Dann ließ er das zitternde Nervenbündel los und wandte seine Aufmerksamkeit den beiden Bekehrten zu. Aber die schienen sich nicht zu fürchten und bereiteten sich zuversichtlich und willig auf den bevorstehenden Kampf vor.
    Stockard, der leise mit der Frau aus Teslin gesprochen hatte, wandte sich jetzt zu dem Missionar.
    »Bring ihn her«, befahl er Bill.
    »Und jetzt«, befahl er, als Sturges Owen vor ihm stand, »jetzt mußt du uns zu Mann und Frau machen, und das ein bißchen schnell.« Dann fügte er, sich entschuldigend, zu Bill gewandt hinzu:
    »Man kann nie wissen, wie es ausgeht; da will ich lieber meine Angelegenheiten geordnet haben.«
    Die Frau tat, wie ihr weißer Herr gebot. Für sie war die Zeremonie bedeutungslos. Ihrer Auffassung nach war sie seine Gattin seit dem Tage, als sie sich zusammengetan hatten. Die beiden Bekehrten dienten als Zeugen. Bill stand neben dem Missionar und half ihm, wenn er nicht weiter konnte. Stockard sprach der Frau die Antworten vor, und als es soweit war, umfaßte er in Ermangelung von etwas Besserem ihren Ringfinger mit seinem Daumen und Zeigefinger.
    »Küß die Braut!« donnerte Bill, und Sturges Owen war zu schwach, sich seinem Willen zu widersetzen.
    »Und jetzt tauf das Kind.«
    »Aber hübsch und ordentlich«, bemerkte Bill.
    »Er muß doch gut für eine neue
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