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Der Gott seiner Vaeter

Der Gott seiner Vaeter

Titel: Der Gott seiner Vaeter
Autoren: Jack London
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in das Ufer und schwang das Achterende des Bootes in die Strömung. Dann drehte er den Bug gegen das Ufer, bis ein gewandter Mischling mit einer Leine an Land klettern und das Boot festmachen konnte.
    »Eine kleine Weile, Madame, ich gehen sehen.«
    Die Hunde stimmten ein lautes Geheul an, als er auf der anderen Seite des hohen Ufers verschwand, aber nach einer Minute kam er wieder.
    »Oui, Madame, hier sein die Hütte. Ich machen Untersuchungen. Kann den Mann nicht finden zu Hause. Aber er nicht gehen recht weit oder bleiben lange fort, und Hunde nicht dableiben. Er kommen sehr bald, das sicher.«
    »Helfen Sie mir heraus, Pierre. Mir tun alle Glieder weh vom Sitzen im Boot. Sie hätten es auch ein wenig weicher machen können.«
    Aus einem warmen Nest von Fellen in der Mitte des Bootes erhob sich Karen Sayther in ihrer ganzen schlanken Schönheit. Sah sie aber wie eine zarte Lilie inmitten der primitiven Umgebung aus, so widersprach diesem Eindruck ihr fester Griff um Pierres Hand, das Schwellen ihrer Armmuskeln, als ihr Gewicht auf dem Arm ruhte, und die ganze Sicherheit, mit der sie ihre prachtvolle Gestalt bewegte, als sie den steilen Uferhang hinaufkletterte. Trotz ihrem feinen Knochenbau und den weichen, runden Linien ihrer Gestalt, war sie doch in physischer Beziehung ein starkes Weib. Aber bei aller Unbesorgtheit und Leichtigkeit, mit der sie an Land gesprungen war, lag doch ein wärmerer Schimmer als gewöhnlich über ihrem Antlitz, und ihr Herz klopfte schneller als sonst.
    Sie näherte sich der Hütte mit einer gewissen angstvollen Spannung, während die Röte in ihren Wangen immer sichtbarer wurde.
    »Sieh, sieh!« Pierre wies auf die Späne, die beim Brennholzstapel verstreut lagen. »Die frisch – zwei, drei Tage, nicht mehr.«
    Frau Sayther nickte. Sie versuchte durch das kleine Fenster zu blicken, aber es war aus eingefettetem Pergament verfertigt das zwar Licht in den Raum ließ, zugleich aber verhinderte, daß man hineinsah. Nach diesem mißglückten Versuch trat sie zur Tür, drückte die primitive Klinke nieder, um sie zu öffnen, besann sich aber und ließ sie wieder los. Plötzlich ließ sie sich auf ein Knie nieder und küßte die rohgezimmerte Türschwelle. Falls Pierre Fontaine es sah, so ließ er es sich jedenfalls nicht im geringsten anmerken und hat es nie einem Menschen erzählt.
    Aber im nächsten Augenblick wurde einer der Bootsleute, der sich friedlich seine Pfeife ansteckte, durch einen Befehl des Anführers aufgeschreckt, dessen Stimme einen ungewöhnlich scharfen Klang hatte.
    »He, du da! Le Gloire! Du machen ihn weich – viel mehr«, kommandierte Pierre. »Viel Bärenfelle, viel Decken! Verdammt!«
    Aber das warme Nest wurde bald auseinandergerissen und der größte Teil der Felle und Decken auf das hohe Flußufer hinaufgeworfen, wo Frau Sayther es sich bequem machte, während sie wartete. Sie lag auf der Seite und blickte über die breite Fläche des Yukon hinüber. Über den Bergen, die ganz in der Ferne, jenseits des Flusses lagen, war der Himmel dunkel vom Rauch unsichtbarer Waldbrände, und die Nachmittagssonne durchbrach schwach diese Rauchdecke und warf einen unklaren Schimmer und unwirkliche Schatten auf die Erde. Ganz bis zum Horizont erstreckte sich die jungfräuliche Einöde nach allen Himmelsrichtungen – mit Kiefern bestandene Inseln, dunkle Gewässer und vereiste Hügelzüge. Keine Spur von Menschen unterbrach die Einsamkeit, kein Geräusch die Stille. Das Land schien von der Unwirklichkeit des Unbekannten in Bann getan, in das brütende Mysterium der großen Einöde eingehüllt.
    Vielleicht war es das, was Frau Sayther nervös machte, denn sie änderte beständig ihre Lage, bald, um den Fluß hinabzuspähen, bald, um ihn hinaufzublicken, und dann wieder, um den Blick forschend die dunkle Küste und die halbversteckten Mündungen kleinerer Buchten entlangschweifen zu lassen. Als eine Stunde vergangen war, wurde die Bootsmannschaft an Land geschickt, um Zelte aufzuschlagen, während Pierre bei Frau Sayther blieb, um mit ihr Ausschau zu halten.
    »Ach, ihn kommen jetzt«, flüsterte er nach langem Schweigen, währenddessen er den Fluß hinauf nach dem oberen Ende der Insel geblickt hatte.
    Ein Kanu, an dessen Seiten je eine Paddel blinkte, kam den Strom herab. Im Stern saß ein Mann und im Bug eine Frau, und beide ruderten mit gleichmäßigen, rhythmischen Schlägen. Frau Sayther hatte kein Auge für die Frau, bis das Kanu näher kam und ihre bizarre Schönheit
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