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Der Gott seiner Vaeter

Der Gott seiner Vaeter

Titel: Der Gott seiner Vaeter
Autoren: Jack London
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sich dem Blick aufdrängte. Ein enganschließendes Leibchen aus Elchleder mit phantastischen Perlstickereien betonte die schönen, weichen Körperlinien, während ein buntes, sehr malerisch drapiertes Seidentuch das reiche, blauschwarze Haar halb verdeckte. Aber es war das Gesicht, dieses wie aus Bronze gegossene Gesicht, das den Blick Frau Saythers fing und festhielt. Die Augen, durchdringende schwarze, große Augen mit der traditionellen Andeutung von Schiefheit, sahen unter den scharfgezeichneten, feingebogenen Brauen hervor, und obwohl die Backenknochen ziemlich hoch und vorstehend waren, rundeten sich die Wangen doch schön zu einem Munde mit schmalen Lippen, der milde und stark zugleich war. Es war ein Gesicht, das eine schwache Andeutung alter mongolischer Rasse, nach jahrhundertelangem Wandern einen Rückfall in den ursprünglichen Typ zeigte. Diese Wirkung wurde noch von der feingebogenen Adlernase mit den schmalen, zitternden Flügeln und dem ganzen Eindruck von Adlerwildheit unterstrichen, der nicht nur das Gesicht, sondern die ganze Gestalt zu prägen schien. Sie war tatsächlich der ideale Tatarentyp in Reinzucht, und der Indianerstamm mußte glücklich gepriesen werden, der einmal im Laufe von einem Dutzend Generationen eine so einzige Gestalt hervorbringen konnte.
    Mit langen, kräftigen Ruderschlägen, die sich nach denen des Mannes richteten, schwang das junge Weib das winzige Fahrzeug plötzlich gegen die Strömung und hielt dann vorsichtig auf das Ufer zu. Im nächsten Augenblick stand sie auf dem Hang und zog mit einer Leine ein Stück von einem kürzlich geschossenen Elch zu sich herauf. Dann folgte ihr der Mann, und gemeinsam zogen sie schnell das Kanu aufs Ufer. Die Hunde umdrängten sie heulend, und als das junge Mädchen sich über sie beugte, um sie zu streicheln, fiel der Blick des Mannes auf Karen Sayther, die sich erhoben hatte.
    Er sah sie an, strich sich unbewußt über die Augen, als wollte er ihnen nicht trauen, und sah sie wieder an.
    »Karen«, sagte er einfach, indem er mit ausgestreckter Hand auf sie zutrat. »Ich glaubte einen Augenblick zu träumen. Ich war letztes Frühjahr eine Zeitlang schneeblind, und seit der Zeit kann ich mich nicht mehr so recht auf meine Augen verlassen.«
    Frau Sayther, deren Wangen noch röter geworden waren und deren Herz klopfte, daß es fast schmerzte, war auf alles andere eher gefaßt gewesen als auf diese ruhig ausgestreckte Hand, aber sie hatte Takt genug, sich zu beherrschen, und drückte sie mit großer Herzlichkeit.
    »Du weißt, David, daß ich dir oft mit meinem Kommen gedroht habe, und ich wäre schon längst gekommen, wenn nur – wenn nur – «
    »Wenn ich dich nur gerufen hätte!« David Payne lachte und sah der Indianerin nach, die gerade in der Hütte verschwand.
    »Oh, ich verstehe dich gut, David, und an deiner Stelle würde ich wahrscheinlich dasselbe getan haben. Aber jetzt – jetzt bin ich nun einmal hier.«
    »Und da mußt du lieber den Schritt ganz tun und in die Hütte kommen und etwas essen«, sagte er heiter, indem er die zarte Andeutung einer Bitte in ihrer Stimme entweder nicht gehört hatte oder nicht hören wollte.
    »Und du mußt doch auch müde sein. Wohin gehst du? Flußauf? Dann hast du also in Dawson überwintert oder bist gerade vor dem Eisbruch gekommen? Sind das deine Indianer?« Er sah den Schlittenführer und das Lagerfeuer und öffnete ihr die Tür.
    »Ich kam letzten Winter von Circle City über das Eis hierher«, fuhr er fort, »und hab’ mich hier für eine Weile niedergelassen. Ich untersuche jetzt das Gelände am Henderson Creek, und wenn das erfolglos ist, habe ich daran gedacht, im Herbst mein Glück oben am Stuart zu versuchen.«
    »Du hast dich nicht sehr verändert, nicht wahr?« fragte sie plötzlich mit einem Versuch, das Gespräch auf ein persönlicheres Gebiet zu lenken.
    »Vielleicht etwas weniger Fett und etwas mehr Muskeln. Oder was meinst du?«
    Aber sie zuckte die Achseln und betrachtete durch das Halbdunkel die Indianerin, die ein Feuer angezündet hatte und jetzt im Begriff war, einige große Stücke Elchfleisch mit dünnen Speckstreifen zu braten.
    »Warst du lange in Dawson?« Der Mann hatte sich daran gemacht, einen primitiven Axtschaft zu schnitzen, und er stellte seine Frage, ohne den Kopf zu heben.
    »Ach, nur ein paar Tage«, antwortete sie, aber sie hatte seine Worte kaum gehört, so eifrig beobachtete sie das junge Mädchen.
    »Was sagtest du? In Dawson? Einen Monat war ich
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